Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen

Referentenentwurf zur Neuregelung der Mängelhaftung im Kaufrecht

Wenn man die hier zu referierende Rechtsentwicklung ein wenig despektierlich betrachtet, dann könnte man fast sagen: Der neue Entwurf des Bundesjustizministers zur Mängelhaftung im Kaufrecht ist das Ergebnis eines längeren Ping-Pong-Spiels zwischen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und dem BGH. Warum? Das erklärt sich am besten, wenn man sich die zeitliche Entwicklung vor Augen führt, die in der Rechtsprechung zu dem höchst aktuellen und praktisch relevanten Komplex eingetreten ist, wer denn nämlich und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen verpflichtet ist, die im Zusammenhang mit einer Nacherfüllung - Mangelbeseitigung oder Ersatzlieferung - ergebenden Aus- und Einbaukosten zu tragen. Fallen sie dem Verkäufer zur Last? Oder muss der Käufer sie „schlucken"? Dass es sich hierbei um Kosten- und Aufwandpositionen handelt, die durchaus erheblich sind und oft in keiner rechten Relation zum Kaufpreis stehen, liegt auf der Hand.

Also der Reihe nach: Im Jahr 2008 hat der BGH (NJW 2008, 2837) in einer wichtigen Präjudizentscheidung festgelegt, dass die im Rahmen einer Nacherfüllung anfallenden Aus- und Einbaukosten nicht zu den Aufwendungen zählen, welche direkt den Nacherfüllungsaufwendungen nach § 439 Abs. 2 BGB zuzurechnen sind. Vielmehr handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch nach § 281 BGB. Dieser aber ist vom Vorliegen eines Verschuldens des Verkäufers abhängig (§ 280 Abs. 1 BGB). Doch im gleichen Atemzug unterstrich der BGH seine frühere Rechtsprechung als nach wie vor gültig. Sie besagt: Der Vorlieferant und auch der Hersteller einer mangelhaften Sache sind nicht als Erfüllungsgehilfen des Verkäufers anzusehen (§ 278 BGB). Denn der Verkäufer schuldet gegenüber dem Käufer nur die Übereignung und die Besitzverschaffung einer mangelfreien Sache, nicht aber deren Herstellung. Daher haftet der Verkäufer auch grundsätzlich nicht für Pflichtverletzungen (mangelhafte Lieferung) seines Vorlieferanten oder des Herstellers. Ergebnis: Der Käufer bleibt regelmäßig auf den Aufwendungen für Aus- und Einbaukosten bei einer vom Käufer durchgesetzten Nacherfüllung - Lieferung einer mangelfreien Sache oder auch Mangelbeseitigung - sitzen.

Doch im Jahr 2009 legte der BGH (NJW 2009, 1660) dem EuGH die Frage vor, ob denn diese Rechtsfolge - zum Nachteil des Käufers als Verbraucher (§ 13 BGB) - auch dann eingreift, wenn es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. Denn für diesen bestand die auf Mindestharmonisierung ausgelegte Richtlinie 1999/44/EG. Im Rahmen der Modernisierung des Schuldrechts (2001) war diese Richtlinie ohne Beschränkungen in das Kaufrecht übernommen worden und galt nach den §§ 434ff. BGB sowohl für den Verbrauchsgüterkauf als auch für Kaufverträge zwischen Unternehmern. Daher stellte der BGH dem EuGH die Frage, ob denn seine Interpretation, wie Aus- und Einbaukosten bei einem mangelhaft erfüllten Kaufvertrag zu behandeln seien, auch nach den Vorgaben von Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie richtig sei, dass es sich nämlich nur um einen Schadensersatzanspruch des Käufers handelt oder ob der Verkäufer diese zu tragen hat.

Der EuGH legte daraufhin im Rahmen seiner Auslegungskompetenz fest, dass diese Richtlinie in Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 dahin zu deuten sei, dass entweder der Verkäufer die Aus- und Einbaukosten bei einer Ersatzlieferung selbst tragen muss oder dass er den Aus- und Einbau selbst auf eigene Kosten vorzunehmen verpflichtet ist (EuZW 2011, 631). Dieses Auslegungsergebnis übernahm der BGH zwei Jahre später uneingeschränkt zugunsten eines Käufers als Verbraucher (NJW 20123, 1073). Er sprach sich für eine richtlinienkonforme Auslegung des Nacherfüllungsanspruchs des Käufers nach § 439 Abs. 1 BGB aus, so dass dieser - auf der Erfüllungsebene - auch den Ersatz der Ein- und Ausbaukosten einschloss.

Doch damit ist das Ping-Pong-Spiel zwischen dem EuGH und dem BGH noch nicht zu Ende. Denn es ging in die nächste Runde: Der BGH hatte nämlich im Jahr 2013 (NJW 2013, 220) und dann auch noch ein Jahr später (NJW 2014, 2183) die Frage zu klären, ob denn diese richtlinienkonforme Auslegung von § 439 Abs. 1 BGB auch auf den Kaufvertrag zu erstrecken ist, der zwischen zwei Unternehmern abgeschlossen ist. In dogmatisch sehr tiefsinnig begründeten Urteilen verneinte er diese Frage im Ergebnis. Vielmehr sprach er einer „gespaltenen" Auslegung das Wort: Für den Bereich des Verbrauchsgüterkaufs wird die Norm des § 439 Abs. 1 BGB richtlinienkonform ausgelegt, so dass der Käufer als Verbraucher sicher sein kann, dass er im Rahmen einer Nacherfüllung nicht mit Aus- und Einbaukosten belastet wird. Handelt es sich hingegen um einen Kaufvertrag zwischen zwei Unternehmern (b2b), dann bleibt der BGH bei seiner früheren Rechtsprechung, dass nämlich der Käufer in aller Regel auf den entstehenden Aus- und Einbaukosten sitzen bleibt, weil ihm gegenüber dem Verkäufer kein Schadensersatzanspruch zusteht.

Rechtspolitisch war diese Entwicklung ein Desaster. Denn es ist ein altes und zutreffendes Axiom der deutschen Gesetzgebung: Die Bürde des Verbraucherschutzes, die sich in aller Regel aus zwingenden Gesetzesnormen ergibt, soll und darf nicht allein der Letztverteiler tragen, ohne einen „seitengleichen" Regress gegenüber seinem Vorlieferanten oder Hersteller der mangelhaften Sache zu haben. Das Risiko einer strikten Haftung soll eben dort lokalisiert werden, wo es entstanden ist. Die Regresskette vom Verbraucher bis hinauf zum Hersteller der mangelhaften Sache darf nicht unterbrochen werden. Das gilt vor allem zugunsten von kleineren Unternehmen, wie insbesondere zugunsten von Handwerkern; zu ihren Gunsten muss der Gesetzgeber - so die rechtspolitische Forderung - die Regresskette absichern.

Genau das geschieht jetzt im Rahmen des vom Bundesjustizminister vorgelegten Referentenentwurf (hierzu im Einzelnen Graf von Westphalen BB 2015, 2883ff.; Dauner-Lieb NZBau 2015, 684ff.). Die im Zusammenhang mit einer Nacherfüllung - Mangelbeseitigung/Ersatzlieferung - anfallenden Aus- und Einbaukosten werden also in jedem Fall dem Bereich des Erfüllungsanspruchs zugewiesen und die Regresskette wird so wieder geschlossen.

Was sind die praktischen Konsequenzen, wenn dieser Referentenentwurf - zusammen mit einem neuen Bauvertragsrecht - Gesetz wird?

Es ist dann sicherzustellen, dass etwaige Aus- und Einbaukosten in Verkaufs-AGB nicht mehr im Rahmen der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers wirksam ausgeschlossen werden können. Und es ist auch sicherzustellen, dass diese Aufwendungen von der Produkt-Haftpflichtversicherung gedeckt werden, auch wenn es sich dann nicht mehr um „gesetzliche Schadensersatzansprüche" im Rahmen des gegenwärtig gültigen Deckungskonzepts handelt. Doch ob diese Änderung gegenüber den Versicherern gelingt, ist noch nicht abzusehen. Die Entwicklung ist ja im Fluss und noch nicht beendet; aber sie zielt rechtspolitisch in die richtige Richtung. Und alle diejenigen Verkäufer, welche den Verbraucher beliefern, dürfen bald in die Hände klatschen.

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