Prof. Dr. Tobias LenzJerome Nimmesgern

Neue Verordnung über elektrische Betriebsmittel - 1. ProdSV

Am 20. April 2016 ist die neue Verordnung über elektrische Betriebsmittel in Kraft getreten (auch Erste Verordnung über elektrische Betriebsmittel bzw. 1. ProdSV genannt). Damit ist gleichzeitig die neue Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU in deutsches Recht umgesetzt worden. Die Verordnung ist im Vergleich zur Altfassung deutlich umfangreicher. Das Ziel, ein hohes technisches Sicherheitsniveau für elektrische Betriebsmittel zu schaffen, ist unverändert geblieben. Die Verordnung hält hinsichtlich der praktischen Umsetzung dieses Ziels aber vor allem für Hersteller und Händler von elektrischen Betriebsmitteln Neuerungen bereit.

Überblick

Die Verordnung über elektrische Betriebsmittel gilt grundsätzlich für alle neuen elektrischen Betriebsmittel, die auf dem Markt bereitgestellt werden, sofern diese zur Verwendung bei einer Nennspannung zwischen 50 und 1.000 Volt für Wechselstrom und zwischen 75 und 1.000 Volt für Gleichstrom vorgesehen sind. Der Anwendungsbereich umfasst eine Vielzahl verschiedener Endverbraucherprodukte wie z. B. Kaffeemaschinen, TV-Geräte oder Elektroherde.

Die Regelungen der 1. ProdSV sind darauf ausgerichtet, durch einheitliche Anforderungen an die Konstruktion und Herstellung von elektrischen Betriebsmitteln ein hohes Maß an technischer Sicherheit zu erreichen. Elektrische Betriebsmittel müssen dem in der Europäischen Union vorgegebenen Stand der Sicherheitstechnik entsprechen, so dass sie bei ordnungsgemäßer Installation und Wartung (nach festgelegten Montagevorschriften und Instandhaltungsvorschriften) sowie bei bestimmungsgemäßer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Menschen, Haus- und Nutztieren und Gütern nicht gefährden.

Vor diesem Hintergrund enthält die Verordnung für alle Wirtschaftsakteure, die Teil der Liefer- und Vertriebskette sind - also vor allem für Hersteller, Einführer und Händler -, Regelungen bereit, die sicherstellen sollen, dass das grundsätzlich für alle vorgenannten Wirtschaftsakteure geltende Gebot, nur sichere elektrische Betriebsmittel auf dem Markt bereitzustellen, effektiv umgesetzt wird. Unterstützung erhalten die Wirtschaftsakteure von den Marktüberwachungsbehörden, die die Liefer- und Vertriebskette vollständig zurückverfolgen können sollen. Entspricht das elektrische Betriebsmittel den einschlägigen einzuhaltenden Normen, wird grundsätzlich vermutet, dass es auf dem Markt bereitgestellt werden darf (sog. Konformitätsvermutung).

Einzelheiten und wichtigste Neuerungen

Den Hersteller trifft eine Vielzahl von Pflichten. Die wichtigsten sind die Erstellung der technischen Unterlagen zu dem elektrischen Betriebsmittel, die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens nebst Ausstellung der EU-Konformitätserklärung sowie die Anbringung der CE-Kennzeichnung. Die im Rahmen der Konformitätsbewertungsverfahren vom Hersteller bereitzustellenden technischen Unterlagen müssen nach der neuen Verordnung erstmals auch eine Risikoanalyse und -bewertung beinhalten. Zu den Pflichten des Herstellers gehört es auch, die bereits von ihm auf dem Markt bereitgestellten elektrischen Betriebsmittel zu beobachten und ggf. notwendige Maßnahmen zu ergreifen, z.B. stichprobenartige Prüfungen oder Führen eines Beschwerde- und Rückrufverzeichnisses. Die Händler sind über die vom Hersteller durchgeführten Maßnahmen zu informieren.

Der Einführer von elektrischen Betriebsmitteln in den Europäischen Wirtschaftsraum („EWR": Europäische Union sowie die EWR-Vertragsstaaten Island, Liechtenstein und Norwegen) ist zunächst darauf angewiesen, dass der Hersteller (aus einem Staat außerhalb des EWR) sich rechtskonform verhalten hat. Im Zweifelsfall muss er sich hierüber Gewissheit verschaffen. Der Einführer muss aber auch selbst Korrekturmaßnahmen ergreifen, wenn er feststellt, dass das elektrische Betriebsmittel ein Sicherheitsrisiko darstellt. Er hat die Marktüberwachungsbehörde einzuschalten und das Produkt ggf. zurückzurufen. Um sicherzustellen, dass für die Marktüberwachungsbehörden immer eine Kontaktperson innerhalb der EU bzw. des EWR ansprechbar ist, hat der Einführer - der seinen Sitz selbst im EWR haben muss -, seine Kontaktdaten auf dem elektrischen Betriebsmittel (oder ggf. auf der Verpackung) anzugeben.

Erstmals sind nun auch die Pflichten für Händler explizit geregelt. Ihn treffen im Wesentlichen Sicht- und Vollständigkeitsprüfungen. Bevor der Händler ein elektrisches Betriebsmittel auf dem Markt bereitstellt, hat er insbesondere zu prüfen, ob das elektrische Betriebsmittel mit der CE-Kennzeichnung des Herstellers versehen und die Betriebsanleitung in deutscher Sprache beigefügt ist. Der Händler sollte in diesem Zusammenhang auch wissen, welche Produkte CE-Kennzeichnungspflichtig sind und welche Unterlagen (z. B. EU-Konformitätserklärung) das Produkt begleiten müssen. Hat der Händler Grund zur Annahme, dass ein elektrisches Betriebsmittel nicht die Gesundheit und Sicherheit von Menschen, Haus- und Nutztieren sowie Gütern gewährleistet, darf er dieses elektrische Betriebsmittel erst verkaufen, wenn die Konformität hergestellt ist. Anders als der Hersteller und der Einführer ist der Händler aber nicht verpflichtet, selbst Korrekturmaßnahmen zu ergreifen.

Die Vorgaben (insbesondere die Prüfpflichten) der neuen 1. ProdSV bedeuten für Hersteller, Einführer und Händler in der Praxis vor allem zusätzlichen Bearbeitungsaufwand und Kosten. Inwieweit damit auch das Sicherheitsniveau elektrischer Betriebsmittel steigt, wird sich zeigen.

Kontakt > mehr