hendrik thies gesellschaftsrecht 2.jpgDr. Oliver Wasmeier

Vereinbarung eines Gerichtsstands im Ausland kann Aufrechnung entgegenstehen

Vereinbaren zwei Parteien eines Vertrages, dass Gerichtsstand und Erfüllungsort für alle Verbindlichkeiten aus einem Vertrag ausschließlich der – im Ausland befindliche – Sitz einer Vertragspartei sein soll, so ist dies so auszulegen, dass in einem im Inland geführten Prozess auch keine Aufrechnung möglich sein soll.

Hintergrund

Eine österreichische Herstellerin von Elektrofahrrädern vertrieb ihre Produkte in Süddeutschland über einen selbständigen Vertriebspartner. In dem Vertriebsvertrag vereinbarten die Parteien, dass Gerichtsstand und Erfüllungsort für alle Verbindlichkeiten aus diesem Vertrag ausschließlich der Sitz der Herstellerin (in Österreich) sein sollte.

In einem später abgeschlossenen Warenlieferungsvertrag vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte berechtigt sein sollte, Waren aus dem Ersatzteillager der Klägerin in Deutschland zu entnehmen und weiter zu verkaufen. Dieser Vertrag enthielt keine Regelung zum Gerichtsstand.

Die Herstellerin klagte vor dem LG München II auf Kaufpreiszahlung aus solchen Entnahmen auf Basis des Warenlieferungsvertrages. Der Händler machte selbst Ansprüche auf Handelsvertreterausgleich und Provisionen aus dem Vertriebsvertrag geltend und erklärte die Aufrechnung. Das OLG München hatte zu klären, ob die Aufrechnung mit einer Forderung zulässig war, obwohl die Forderung nach dem Vertrag nur in Österreich hätte eingeklagt werden können.

Das Urteil des OLG München vom 13.10.2016, Az. 23 U 1848/16

Das OLG München entschied zugunsten der Herstellerin. Aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen könne der Händler sich im Prozess auf die Aufrechnung nicht berufen. Nach dem geltenden deutschen Prozessrecht sei eine Aufrechnung im Prozess zwar grundsätzlich möglich, nicht aber dann wenn die Aufrechnung durch eine wirksame Parteivereinbarung ausgeschlossen sei. Eine solche Ausschlussvereinbarung könne sich auch aus der Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands ergeben. Und zwar dann, wenn die Gerichtsstandsabrede nicht bloß auf zu erhebende Klagen beschränkt ist, sondern die Vertragspartner umfassend formulieren, dass „Gerichtsstand und Erfüllungsort für alle Verbindlichkeiten“ „ausschließlich“ am Sitz einer Partei solle. Dann nämlich machen die Parteien erkennbar, dass alle Streitigkeiten über Verbindlichkeiten aus dem Vertrag gerade im Heimatstaat dieser Partei ausgetragen werden sollen. Richtigerweise spielt es dann auch keine Rolle, ob die Aufrechnung im Prozess erklärt wird oder bereits vor dem Prozess und eine Partei sich im Prozess auf diese Aufrechnung beruft.

Anmerkung

Das Ergebnis des OLG München überzeugt. Denn es wäre wenig sachgerecht, dem Beklagten entsprechend der insoweit eindeutigen Gerichtsstandsklausel Widerklagen zu verbieten, aber Aufrechnungen, die dieselben Gegenansprüche betreffen, zuzulassen.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass im grenzüberschreitenden Verkehr besonderes Augenmerk auf die Regelungen zum Gerichtsstand und zum anwendbaren Recht zu legen ist. Zwar werden diese Regelungen bei Vertragsabschluss von den Parteien oftmals eher als Nebensache angesehen. Dies jedoch zu Unrecht. Denn im Streitfall kann ein ungünstiger Gerichtsstand schnell dazu führen, dass Ansprüche nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand durchgesetzt werden können. So kann leicht der wirtschaftliche Zweck des Vertrages konterkariert werden. Schließen Parteien mehrere Verträge, sollten sie auch die Regelungen zum anwendbaren Recht und Gerichtsstand aufeinander abstimmen.

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