Prof. Dr. Tobias Lenz

D&O Versicherungen und Reputationsschutz: Es besteht durchaus Missbrauchspotenzial

Ob Siemens, Deutsche Bank oder VW: Pflichtverletzungen eines Managers können für die Unternehmen teuer werden. Viele schließen mit ihren Top-Führungskräften daher Manager-Haftpflichtversicherungen ab. Die Versicherungen zahlen im Schadensfall mitunter zwei- oder dreistellige Millionenbeträge – und ziehen daher verstärkt das Medieninteresse auf sich.

Unser Kölner Partner Prof. Dr. Tobias Lenz gab der Kommunikationsberatung Sieber Senior Advisors zu diesem Thema ein Interview.

Sieber Senior Advisors: Wir haben in Deutschland eine erhebliche Verschärfung der gesetzlichen Haftungsbedingungen erlebt. Was hat sich da verändert?

Prof. Dr. Tobas Lenz: Gut, erwähnen wir die Reform der §§ 299 ff. StGB, die Neuerungen bei der Vermögensabschöpfung, und insbesondere die 4. EU-Geldwäsche-Richtlinie. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie der USA hat sich in Deutschland die Gesetzeslage nicht wirklich wesentlich verschärft, wohl aber deren Interpretation durch die Rechtsprechung. Die rechtlichen Grundlagen liefern – wie Sie ja wissen – die §§ 93, 116 AktG für Vorstände und Aufsichtsräte beziehungsweise § 43 GmbHG für Geschäftsführer. Geändert hat sich vor allem die Praxis, nämlich die Anforderungen an die Inanspruchnahmen von Organen. Seit dem Urteil ARAG/Garmenbeck aus dem Jahr 1997 nehmen Unternehmen ihre Organe und Manager tatsächlich für Schadensersatz vermehrt in Anspruch und müssen dies zum Teil sogar. Es gab dazu eine Reihe spektakulärer Prozesse bei Holzmann, Lufthansa, Mannesmann und allen voran Siemens. Durch diese Prozesse ist auch die Öffentlichkeit verstärkt auf das Thema Managerhaftung aufmerksam geworden.

Deutschland ist für die D&O Versicherer eines der schadensträchtigsten Länder - es gibt hier inzwischen mehr Haftungsfälle als in den USA. Haben wir es hier mit einer Fehlentwicklung im Haftungsrecht zu tun?

Zunächst einmal ist es legitim, dass sich Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte vor Haftungsschäden, die sie persönlich ruinieren können, schützen wollen. Hier erfüllen D&O Versicherungen eine wichtige Funktion. Dabei besteht aber durchaus auch Missbrauchspotenzial. Unternehmen können durchaus versucht sein, D&O Versicherungen zu instrumentalisieren, um „ihre Bilanzen zu schützen“. Nicht selten ist ein „Heer von Anwälten“ damit beschäftigt, Ansprüche zu „kreieren“. Sie nutzen dabei eine durchaus breite Grauzone, die große Auslegungsspielräume zulässt: Sind beispielsweise bestimmte Investitionen tatsächlich im Rahmen eines begründeten unternehmerischen Risikos getätigt worden, oder liegt sogar ein Untreue-Tatbestand vor? Wurde tatsächlich fahrlässig gegen bestimmte Compliance-Richtlinien verstoßen, oder lagen systematische Handlungsweisen zugrunde direkt „from the top“? Dabei gehen Unternehmen durchaus widersprüchlich vor, etwa indem sie das Vorliegen von Haftungsansprüchen behaupten, die rechtlich nur schwer zu begründen sind oder die dem Unternehmen in der Konsequenz selbst schaden können. Dabei sind die Summen, die bei den D&O-Versicherungen tatsächlich eingetrieben werden, fast immer sehr viel kleiner, als es Medienberichte (oft) vermuten lassen. Und sie sind vorallem nicht selten geringer als der Reputationsschaden, der durch langwierige und vor allem öffentlich geführte Prozesse entstehen kann.

Medien sind bei Vorwürfen gegenüber Managern nicht selten schnell mit Vorverurteilungen bei der Hand - in vielen Fällen ist das sogar die größere Gefahr für die Betroffenen. Welche Rolle spielt Reputationsschutz für Anwälte und wie gehen Kanzleien damit um?

Fachleute, die nur die rechtlichen Fakten im Blick haben, nehmen die Reaktion der Medien oft nicht ernst genug. Dabei gibt es – in Einzelfällen – durchaus öffentliche Prangerwirkungen, die auch zu einer gänzlich unzutreffenden, jedenfalls überspitzten, Wahrnehmung führen können, nach dem Motto: "Alle Manager sind Verbrecher". Die Realität ist eine andere. Öffentliche Vorverurteilungen können für viele Manager ernste Folgen haben, da sie nicht nur ihren Ruf verlieren, sondern auch in ihrem weiteren beruflichen Werdegang schwer tangiert werden können. Der Selbstmord des früheren Siemens-Finanzchefs Heinz-Joachim Neubürger – wirklich eine echte Tragödie – ist da nur die Spitze des Eisbergs. Ich kann daher durchaus verstehen, dass die Betroffenen und Beteiligten in großen D&O-Fällen nach „geräuscharmen Wegen“ suchen, Streitigkeiten beizulegen. Hier kann man durch eine ruhige, faktenorientierte Kommunikation, die gelegentlich auch medienrechtliche Instrumente mit einschließt, durchaus gegensteuern. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man auch gemeinsam mit erfahrenen Wirtschaftsjournalisten durchaus erfolgreich sein kann. Sehr viel schwieriger zu handhaben sind (nicht selten) unerfahrene regionale Medienvertreter: Bürgermeister oder Landräte werden angesichts faktischer oder nur vermeintlicher Vorwürfe durch eine langanhaltende, kontinuierliche Berichterstattung bisweilen regelrecht „zermalmt“ - ein Problem, das viele anwaltliche Berater im Gegensatz zu Medienexperten in dieser Dimension noch gar nicht wahrgenommen haben.

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