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Business Judgement Rule nun auch in Österreich gesetzlich verankert

Zum 01.01.2016 ist der österreichische dem deutschen Gesetzgeber nachgezogen und hat die Business Judgement Rule gesetzlich verankert. Diese gesellschaftsrechtliche Änderung war Teil des Strafrechtsänderungsgesetzes 2015, mit dem zugleich der Untreuetatbestand des § 153 StGB novelliert wurde.

Untreue neu formuliert (§ 153 StGB)

Im Rahmen des Strafrechtsänderungsgesetzes 2015 reagierte der Gesetzgeber auf die umstrittene höchstgerichtliche Rechtsprechung der letzten Jahre (vgl. Libro-Entscheidung) und stellt klar, dass der Untreuetatbestand einen Vermögensschaden voraussetzt, die bloße Gefährdung des Vermögens daher nicht mehr ausreichend ist. Weiters wird in § 153 Abs 2 StGB nun definiert, dass ein Befugnismissbrauch vorliegt, wenn in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstoßen wird, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen.

Business Judgement Rule

Die Business Judgement Rule, welche aus dem US-amerikanischen Gesellschaftsrecht stammt, regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Vorstand oder Geschäftsführer trotz einer objektiv fehlerhaften Entscheidung dennoch keiner Haftung ausgesetzt wird: Unbefangenheit, Sachkunde, guter Glaube und Überzeugung, dass er im besten Interesse und zum Wohle der Gesellschaft gehandelt hat. Erfüllen die Geschäftsleiter diese Voraussetzungen, wird vermutet, dass ihr Handeln ordnungsgemäß war. Die Entkräftung obliegt dann dem Kläger eines Haftungsprozesses, also der Gesellschaft oder den Aktionären/Gesellschaftern.

Der deutsche Gesetzgeber hat bereits im Jahr 2005 durch die Einfügung des § 93 Abs 1 Satz 2 AktG für eine gesetzliche Verankerung gesorgt, ohne jedoch die managementfreundliche Beweislastregelung zu übernehmen.

Kodifikation im österreichischen Aktien- sowie GmbH-Gesetz

Mit 01.01.2016 wurde diese Regelung ausdrücklich ins österreichische Aktiengesetz (§ 84 Abs 1a AktG) sowie ins österreichische GmbH-Gesetz (§ 25 Abs 1a GmbHG) aufgenommen: Die Geschäftsleitung handelt jedenfalls im Einklang mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, „wenn er sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“

Diese Regelung bringt zwar inhaltlich nichts völlig Neues, da bereits Lehre und Rechtsprechung von einem Ermessensspielraum ausgingen, jedoch erleichtert diese gesetzliche ex ante Betrachtung der Geschäftsleitung, sich bei unternehmerischen Ermessensentscheidungen, welche meistens einem erheblichen Unsicherheitsfaktor unterliegen, auch im Falle eines Schadeneintrittes von einer Haftung zu befreien. Erfüllt die Geschäftsleitung die gesetzlich determinierten Voraussetzungen, also eine Entscheidung ohne sachfremde Interessen, auf Basis angemessener Information und zum Wohle der Gesellschaft, befindet sie sich in einem „safe harbour“ und hat keine nachteiligen Haftungs- und strafrechtliche Folgen zu befürchten. Leider offen geblieben ist auch in Österreich die Frage der Beweislastverteilung. Es bleibt also abzuwarten, ob der Oberste Gerichtshof dies klarstellen wird.

Selbst wenn die Voraussetzungen der Business Judgement Rule nicht erfüllt sind, muss die Geschäftsführung nicht notwendigerweise haften, jedoch wird sie in einem erheblichen Argumentationsnotstand geraten, da sie beweisen müsste, dass sie trotz Missachtung der Business Judgement Rule ex ante betrachtet sorgfältig gehandelt hat.

Conclusio für die Praxis

Die Geschäftsleitung sollte den durch die Kodifikation geschaffenen Leitfaden des Gesetzgebers für Ermessensentscheidungen nützen, um einer Haftung vorzubeugen. Vorstände und Geschäftsführer sollten daher möglichst genau dokumentieren, welche Informationen ihnen vorlagen, als sie eine Entscheidung getroffen haben, und wieso diese Entscheidung zum Wohle der Gesellschaft ist. Sollte es doch einmal zu einem strafrechtlichen Vorwurf kommen, können die Organmitglieder über die Business Judgement Rule außerdem nun leichter darlegen, warum sie nicht untreu gehandelt haben.

Nora Michtner, Singer Fössl Rechtsanwälte OG, Wien, www.sfr.at

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