Dr. Christoph Fingerle, Fachanwalt für ArbeitsrechtStephanie Krüger, Arbeitsrecht

Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung des Betriebsratsgremiums

Das ArbG Solingen hat entschieden, dass Arbeitgeber dem gesamten Betriebsrat als Gremium gegenüber eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung aussprechen können (Beschluss vom 18.02.2016 – 3 BV 15/15 lev).

Sachverhalt

Der im Unternehmen der Arbeitgeberin errichtete Betriebsrat entschied kurzfristig, eine Abteilungsversammlung durchzuführen und informierte hierüber die Arbeitgeberin. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Betriebsrat Arbeitnehmer aus einer anderen Abteilung angewiesen hat, während der Versammlung den Telefondienst zu übernehmen.

Die Arbeitgeberin forderte den Betriebsrat auf, die Abteilungsversammlung nicht durchzuführen, da sie zu kurzfristig angesetzt sei. Der Betriebsrat kam dem nach und führte statt der Abteilungsversammlung in der Folgewoche eine Betriebsversammlung durch.

Darauf erteilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat eine Abmahnung. Mit dieser beanstandete sie die kurzfristige Anberaumung der Versammlungen, die Wahl des Versammlungsortes und die Anweisung einer anderen Abteilung zur Vertretung. Zugleich forderte sie den Betriebsrat auf, zukünftig die zeitliche Lage und den Ort einer Versammlung mindestens sieben Tage vorher anzukündigen und mit der Geschäftsleitung abzustimmen, keine Versammlungen mehr in Büros von Mitarbeitern abzuhalten und keine Weisungen an Mitarbeiter zu erteilen, die Versammlungsteilnehmer zu vertreten. Bei Verstoß gegen diese Anweisung behielt sich die Arbeitgeberin vor, einen Auflösungsantrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG zu stellen.

Der Betriebsrat hielt die Abmahnung für unzulässig und beantragte im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Abmahnung zurückzunehmen. Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht entschied, der Antrag sei schon unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Zunächst stellte das Gericht klar, dass eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung nicht an sich unzulässig sei. Die Rechtsprechung, wonach eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung gegenüber einem einzelnen Betriebsratsmitglied unzulässig und deshalb aus den Personalakten zu entfernen sei, sei auf den Fall einer Abmahnung des gesamten Betriebsratsgremiums nicht übertragbar, denn es gebe weder eine Personalakte für das Betriebsratsgremium, noch könne die berufliche Entwicklung des Betriebsratsgremiums beeinträchtigt werden.

Der Betriebsrat habe auch nicht aus § 78 BetrVG einen Anspruch auf Beseitigung der Abmahnung. Vielmehr stelle die Abmahnung gegenüber dem bei groben Pflichtverletzungen ebenfalls möglichen Antrag auf Auflösung des Betriebsrats gem. § 23 Abs. 1 BetrVG regelmäßig ein geeignetes, milderes Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Der Abmahnung kann insofern die Funktion einer "gelben Karte" vor Erteilung der "roten Karte" zukommen.

Weiterhin stehe dem global beantragten Widerruf der Abmahnung entgegen, dass diese neben Tatsachenbehauptungen auch Rechtsauffassungen enthielt, die die Arbeitgeberin nicht zu widerrufen brauche, da sie der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit unterlägen.

Fazit

Die Entscheidung beschäftigt sich erstmals mit der Frage der Zulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung gegenüber dem gesamten Betriebsratsgremium. Bisher hatte die Rechtsprechung nur die Abmahnung gegenüber einem einzelnen Betriebsratsmitglied zu prüfen. Hierzu besteht die gefestigte Auffassung, dass eine Abmahnung – wie auch bei Abmahnungen aufgrund eines arbeitsvertraglichen Fehlverhaltens – aus der Personalakte des jeweiligen Betriebsratsmitglieds zu entfernen ist, wenn sie entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

Rechtsmittel hat der Betriebsrat gegen diese Entscheidung nicht eingelegt. Es bleibt abzuwarten, ob auch andere Gerichte der Auffassung des ArbG Solingen folgen werden.

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