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Ab 1. Oktober 2016: Reform des französischen Schuldrechts

Für Verträge, die ab dem 1. Oktober 2016 in Frankreich abgeschlossen werden, gilt der neue «Code Civil», der das französische Zivilrecht grundlegend reformiert und modernisiert. Alle bis dahin geschlossenen Verträge unterliegen weiterhin dem bisherigen Recht.

Das Allgemeine Schuldrecht des Code Civil ist seit 1804 fast ausschließlich durch die Gerichte weiterentwickelt und modernisiert worden. Eine grundlegende Reform wurde jedoch immer dringender. Dies ist nun geschehen:
Aufbau und die Gliederung des Textes sind grundlegend umgestellt worden und orientieren sich am "Leben" einer schuldvertraglichen Verpflichtung. Der Vertrag steht im Mittelpunkt, aber die gesetzlichen Schuldverhältnisse sind ebenfalls reformiert worden.

Neu ist ein Kapitel über den "pacte de préférence" (Vereinbarung über ein Vorzugsrecht, einen Vertrag mit einer Person abzuschließen, Art. 1123), wobei dem Bevorrechtigten ein Auskunftsanspruch und ggf. auch ein Anspruch auf Nichtigerklärung des in Verletzung seines Vorzugsrechts geschlossenen Vertrages zusteht.

Der Abschnitt über den Inhalt des Vertrages enthält eine Liberalisierung der bisherigen Vorschriften. Während bisher ein Vertrag deshalb nichtig sein konnte, weil sich die Parteien nicht über den Preis geeinigt hatten und die Rechtsprechung hier nur von Fall zu Fall abhalf, kann nunmehr bei Rahmenvereinbarungen ("contrat cadre") der Preis, wenn dies so vereinbart wurde, einseitig von einer Partei festgelegt werden (Art. 1164). Bei Dienstleistungsverträgen kann mangels einer Vereinbarung der Preis vom Gläubiger festgelegt werden. Bei Missbrauch besteht in beiden Fällen ein Schadensersatzanspruch und beim „contrat cadre“ ein Anspruch auf Aufhebung des Vertrags.

Eine wesentliche Neuerung ist die durch Art. 1195 eingefügte Bestimmung über die Änderung wesentlicher Umstände. Wenn eine bei Vertragsschluss unvorhersehbare Änderung der Umstände die Vertragsausführung für eine Partei übermäßig erschwert, die dieses Risiko nicht vertraglich übernommen hatte, kann sie ihren Vertragspartner zur Nachverhandlung auffordern. Bei Weigerung oder Fehlschlag der Verhandlungen können die Parteien bei Gericht Anpassung oder Aufhebung beantragen.

Die Nichterfüllung des Vertrages kann fünf verschiedene Rechtsfolgen nach sich ziehen (Art. 1217):

  • Verweigerung oder Aufschub der Erfüllung,
  • Zwang zur Naturalerfüllung,
  • eine Preisminderung,
  • die Auflösung des Vertrages und
  • Schadensersatz.

Das französische Recht enthält nun expressis verbis die Einrede des nichterfüllten Vertrages einschließlich des Rechts, die Erfüllung bei drohender Nichterfüllung aufzuschieben (Art. 1219 und 1220). Dies war bisher Richterrecht. Die Naturalerfüllung (Art. 121 und 1222) ist nunmehr im Gesetz verankert. Die alte Bestimmung, wonach bei "obligations de faire" nur ein Anspruch auf Schadensersatz bestand (Art. 1142), die durch die Rechtsprechung weitgehend aufgehoben wurde, ist nun auch von Gesetzes wegen hinfällig. Allerdings bestehen beim Zwang zur Naturalerfüllung Grenzen (Art. 1221, bei einer übermäßigen Belastung). Die Minderung als allgemeine Rechtsfolge bei Nichterfüllung (Art. 1223) ist für den deutschen Juristen überraschend. Hier hat der Geschädigte die Möglichkeit, bei einer mangelhaften Erfüllung die Leistung zu behalten und eine Reduzierung des Preises zu verlangen.

Die aus praktischer Sicht vielleicht wichtigste Änderung betrifft die Abtretung von Forderungen (Art. 1321 - 1326). Bisher erforderte die Forderungsabtretung nach Art. 1690 Code Civil die Mitteilung der Zession an den Schuldner durch Zustellung mittels Gerichtsvollzieher oder eine Zustimmung des Schuldners in einer notariellen Urkunde. Angesichts dieser archaischen Vorschrift bestanden für Zessionen etwa zugunsten von Kreditinstituten Sonderregelungen. Nun befinden sich in den genannten Artikeln zeitgemäße und einfache Regelungen. Die Zessionsvereinbarung bedarf zwingend der Schriftform (Art. 1322). Zwischen Zedent und Zessionar und auch gegenüber Dritten ist die Abtretung mit Abschluss des Abtretungsvertrages wirksam (Art. 1323). Im Verhältnis zum Schuldner bedarf es jedoch einer Mitteilung oder seiner Kenntnisnahme oder ggf. seiner Zustimmung (Art. 1324). Der Schuldner behält gegenüber dem Zessionar seine Einwendungen und Einreden, die er gegenüber dem Zedenten hatte (Art. 1324-2). Der Abtretende garantiert den rechtlichen Bestand der Forderung, nicht aber die Solvenz des Schuldners (Art. 1326).

Die vorstehende Darstellung ist notwendigerweise unvollständig. Sie bezweckt lediglich, Ihnen einen Überblick über die Reform zu geben. Auf Anfrage beantworten wir gerne alle weiteren Fragen im Detail.

Nicola Kömpf - Avocat au Barreau de Paris / Rechtsanwältin

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