Prof. Dr. F. Christian Genzow, Vertriebsrecht

Verkauf im Internet: Onlinehandel verboten!

Viele Automobilhersteller und Importeure befassen sich derzeit intensiv damit, eigene Internetplattformen für den Neuwagenvertrieb zu installieren. Aber dürfen sie das überhaupt, zumal sie damit den Wettbewerb verschärfen?

Der Bundesgerichtshof hat sich in den Jahren 1987 bis 1994 in insgesamt drei Entscheidungen, zuletzt in der sogenannten Daihatsu-Entscheidung (12.01.1994 - VIII ZR 165/92), mit der Zulässigkeit des Direktvertriebs durch den Lieferanten auseinandergesetzt. Die seinerzeit aufgestellten - bemerkenswerten - Grundsätze zum Direktbelieferungsverbot gelten auch heute noch.

Unter Berufung auf die frühere Rechtsprechung aus dem Jahr 1987 stellt der BGH in der Daihatsu-Entscheidung zunächst fest, dass ein Alleinvertriebsrecht - und damit ein Direktbelieferungsverbot - nicht zwingend aus der Natur des Vertragshändlervertrags folge. Der BGH führt sodann die Entwicklung der Rechtsprechung auf: Je stärker der Vertragshändler in die Vertriebsorganisation eingegliedert ist und den Lieferanten durch Einsatz von Kapital und Personal zu unterstützen hat, desto mehr sind diesem Eigenvertriebsaktivitäten auf der Handelsstufe des Vertragshändlers nach der Natur des Vertrags verboten, wie der BGH bereits im Jahr 1993 als Grundsatz festgehalten habe.

In seiner Entscheidung aus dem Jahr 1993 führt der BGH sodann aus, dass Automobil-Vertriebsverträge in aller Regel eine weitreichende Eingliederung des Vertriebspartners in die Vertriebsorganisation des Lieferanten vorsehen. Der BGH erklärt dazu: „Bei einer so weit gehenden Eingliederung in die Vertriebsorganisation des Lieferanten und Abhängigkeit von den Weisungen und Entscheidungen des Lieferanten darf dieser seinen Vertragshändlern nicht zugleich auf deren eigener Handelsstufe unbeschränkt Konkurrenz machen." Infolgedessen sei eine Klausel, die das schrankenlose Recht der Lieferanten beinhaltet, die Absatzchancen ihrer Vertragshändler durch Direktgeschäfte zu beeinträchtigen und damit deren Erwerbsmöglichkeiten zu minimieren, unzulässig. Zumal sich der Lieferant noch die Verkaufsförderungs- und Werbemaßnahmen seiner Vertragspartner zunutze machen und dem Endabnehmer günstige Verkaufskonditionen anbieten kann. Der BGH konkretisiert 1994 zur Direktbelieferungsklausel im Daihatsu-Vertrag, dass dem Vertragshändler nach der Klausel keine angemessene Ausgleichszahlung zustehe, die nur in einer vollständigen Kompensation des Gewinnentgangs des Vertragshändlers liegen könne.

Zum Zeitpunkt der BGH-Entscheidung strebten die Hersteller noch keinen Direktvertrieb über das Internet an. Gleichwohl gilt auch heute noch, was der BGH seinerzeit festgestellt hat: Wenn der Vertragshändler stark in die Vertriebsorganisation des Lieferanten eingegliedert ist und in hohem Maße von dessen Weisungen und Entscheidungen abhängig ist, darf Letzterer keineswegs zugleich unbeschränkt seinen Vertragspartnern Konkurrenz machen.

Enger rechtlicher Rahmen

Solange dies dadurch geschieht, dass der Lieferant eigene Händlerbetriebe und/oder Niederlassungen unterhält, billigt die Rechtsprechung dies noch, weil hier der Lieferant wegen § 20 GWB kartellrechtlich zur Gleichbehandlung dieser eigenen Betriebe gegenüber Vertragspartnern verpflichtet ist (was allerdings häufig nicht hinreichend von den Verbänden überprüft wird). Eine darüber hinausgehende Konkurrenz - und dies ist eine Internetplattform allemal - lässt sich mit den zuvor dargestellten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung schon aus zivilrechtlichen Gründen nicht rechtfertigen.

Zudem ist auch noch ein kartellrechtlicher Gesichtspunkt in Erwägung zu ziehen: Sollte der Lieferant über seine eigene Internetplattform Neufahrzeuge deutlich unter einer selbst ausgegebenen unverbindlichen Preisempfehlung anbieten, ist dies für den Verbraucher der Preis für das Fahrzeug. Denn es handelt sich ja schließlich um die Preisangabe des jeweiligen Automobilkonzerns. Das würde zumindest mittelbar zu einer Preisbindung aller Vertriebspartner führen: Diese werden nämlich nicht mehr in der Lage sein, die Fahrzeuge zu einem höheren Preis anzubieten als der Lieferant im Internet ausgewiesen hat, selbst wenn dieser Preis erheblich unter der unverbindlichen Preisempfehlung liegt. Gemäß Art. 4 lit. a EU-Vertikalverordnung, die für jegliche Vertriebstätigkeit rechtlich bindend ist, ist es unzulässig, die Möglichkeit des Händlers, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen, einzuschränken. Dies kann zur Nichtigkeit der gesamten vertraglichen Beziehungen führen. Gibt der Lieferant daher über das Internet einen Preis unterhalb der UPE vor, beschränkt er aus den eben dargestellten Gründen seine Vertragshändler in der Möglichkeit einen eigenen Verkaufspreis festzusetzen. Infolgedessen setzt sich der Lieferant in diesem Fall nicht nur einer zivilrechtlichen, sondern insbesondere einer kartellrechtlichen Ahndung aus, wenn und soweit er seinen Vertriebspartner in dieser Form Konkurrenz macht.

Damit ist jedem Automobilhersteller und -importeur verwehrt, über einen eigenen Internetauftritt Neufahrzeuge anzubieten.

Quelle: kfz-betrieb 47/2015

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