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Produkthaftung bei Fehlerverdacht - Umfang der Schadensersatzpflicht

Der EuGH hat in einem viel beachteten Verfahren entschieden, dass bei Hochrisikoprodukten der Hersteller auch dann gemäß den Regelungen zur Produkthaftung auf Schadensersatz haftet, wenn gar kein Produktfehler nachgewiesen wurde. Der Fehlerverdacht genügt. Außerdem hat der EuGH klargestellt, dass der Hersteller nach dem Produkthaftungsgesetz auch für den Ersatz von Ein- und Ausbaukosten verantwortlich ist.

Hintergrund und Entscheidung

Die Klägerin vertrieb Herzschrittmacher in Deutschland. Der Hersteller der Herzschrittmacher, ein amerikanisches Unternehmen, warnte in einem Schreiben an die Ärzte, dass die Herzschrittmacher möglicherweise ein Bauteil enthalten könnten, das zu einer vorzeitigen Batterieerschöpfung mit Verlust der Herzstimulationstherapie ohne Vorwarnung führen könnte. Die Herstellerin empfahl den Ärzten den Austausch der Herzschrittmacher und stellte kostenlos Ersatzgeräte zur Verfügung. Die Ärzte tauschten die Geräte bei einigen Patienten aus. Die Krankenkassen der behandelten Patienten verklagte die Vertreiberin (Boston Scientific) auf Kostenersatz. Das Amtsgericht gab der Klage statt, die Berufung wurde zurückgewiesen. Darauf legte Boston Scientific Revision beim BGH ein, der die Sache dem EuGH vorlegte. Da das deutsche Produkthaftungsgesetz auf der europäischen Produkthaftungsrichtlinie basiert, musste der EuGH entscheiden.

Der EuGH bestätigte die Vorinstanzen, dass bereits der Fehlerverdacht die Produkthaftung begründet. Da ein enormer Personenschaden durch einen Ausfall der Geräte verursacht werden kann, genüge es, wenn ein potentieller Fehler bei anderen Produkten derselben Produktgruppe oder Produktionsserie festgestellt wird. Ein konkreter Fehler muss nicht nachgewiesen werden. Der EuGH beschränkte sich allerdings in seiner Feststellung auf die Produktgruppen Herzschrittmacher und implantierbare Cardioverte Defibrillatoren.
Des Weiteren urteilte der EuGH, dass der Schadensersatz bei medizinischen Geräten wie Herzschrittmachern unter anderem die Kosten im Zusammenhang mit dem Austausch des fehlerhaften Produkts einschließt.

Anmerkung

Das Urteil des EuGH klärt eine seit langem umstrittene Frage zum Fehlerverdacht. Allerdings verstärkt es auch die Haftungsrisiken für Hersteller von Hochrisikoprodukten. Der EuGH hat zwar offen gelassen, für welche weiteren Produkte und Produktgruppen schon ein Produktfehler zur Begründung der Produkthaftung genügt. Der EuGH betont jedoch, dass auch die Folgen eines solchen möglichen Fehlers für die Beurteilung maßgeblich sind. Letztlich ist die Entscheidung aber nachvollziehbar, weil ein Fehler bereits darin liegt, dass die Produkte nicht die erforderliche Sicherheit gewährleisten.

Vor allem den Herstellern von Hochrisiko-Medizinprodukten ist zu empfehlen, ihre Versicherung wenn nötig auf diese Risiken abzustimmen. Auch müssen diese und andere Hersteller die Rechtsfolge der Kostenübernahme bei der vorsorglichen Empfehlung von Korrekturmaßnahmen bedenken. Oftmals wird jedoch das Wohl der Patienten bzw. Kunden keine andere Entscheidung zu lassen.

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