Dr. Volker Stehlin, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Verwaltungsrechtpeter metzger baurecht.jpg

Nachträge zum Bauträgervertrag sind notariell zu beurkunden

Fehlende steuerliche Bescheinigungen führen zudem zu Schadensersatz

Häufig sanieren Bauträger denkmalgeschützte Gebäude, um sie als Wohnungseigentum aufzuteilen und zu veräußern. Den Käufern eröffnet sich durch den Erwerb häufig die Möglichkeit, verringerte Steuern zu bezahlen. Kommt es zu Verzögerungen im Bauablauf, werden oft veränderte Fertigstellungsfristen vereinbart. Das OLG München hat in seinem nunmehr rechtskräftigen Beschluss vom 01.09.2014, Az.: 27 U 1220/14, festgehalten, dass derartige Nachtragsvereinbarungen so wie der Bauträgervertrag selbst notariell beurkundet werden müssen. Kann der Bauträger überdies die vertraglich zugesicherte Bescheinigung für eine denkmalgerechte Sanierung für das Finanzamt nicht beibringen, muss er dem Käufer den „Steuerschaden" ersetzen.

Der Fall

Die Klägerin erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag von dem beklagten Bauträger eine Wohnung in einem 1793 errichteten Gebäude. Der Bauträger verpflichtete sich in dem Vertrag, die Wohnung bis 31.10.2007 denkmalgerecht zu sanieren und bezugsfertig herzustellen. Außerdem verpflichtete er sich gegenüber der Klägerin, die steuerlichen Bescheinigungen für eine denkmalschutzgerechte Sanierung gem. §§ 7i, 11b und 10f EStG beizubringen. Durch die Vorlage der Bescheinigungen bei dem für sie zuständigen Finanzamt wollte die Klägerin in den Genuss einer erhöhten steuerlichen Absetzbarkeit für das streitgegenständliche Anwesen kommen.

Während des Bauablaufs zeigte sich, dass der Bauträger die Fertigstellungsfrist nicht werde einhalten können. Er schloss deshalb mit der Klägerin am 08.06.2007 eine schriftliche Vereinbarung, mit der seine Pflichten zur Leistungserbringung, vor allem in zeitlicher Hinsicht, aber auch die Pflichten der Klägerin zur Kaufpreiszahlung geändert wurden. Sein Ziel war, den Termin zum 31.10.2007 nicht mehr einhalten zu müssen.

Die Wohnung wurde am 30.04.2009 mit Mängeln übergeben. Die steuerlichen Bescheinigungen konnte der Beklagte indes nicht vorlegen. Er hatte die Baumaßnahme nicht in ausreichendem Umfang und fortwährend mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde abgestimmt. Aus diesem Grund erteilte dieses die begehrte Bescheinigung nicht. Eine entsprechende verwaltungsgerichtliche Klage des Bauträgers scheiterte.

Die Klägerin begehrte deshalb vom Bauträger Ersatz für den Mietausfall, der ihr zwischen November 2007 und April 2009 entstanden ist. Außerdem sollte der Bauträger für alle Schäden in Form von verminderten Steuerersparnissen in den Jahren 2008 bis 2015 aufkommen. Der Bauträger verwies dagegen auf die Vereinbarung vom 08.06.2007, nach der er die Wohnung wegen unvorhergesehener Schwierigkeiten später habe fertigstellen dürfen. Wegen der Möglichkeiten steuerlicher Ersparnisse könne die Klägerin noch einen entsprechenden Antrag beim für sie zuständigen Finanzamt stellen.

Das LG Augsburg gab der Klägerin Recht.

Der Beschluss des OLG München vom 01.09.2014, Az.: 27 U 1220/14

Das OLG München wies die Berufung des Beklagten durch Beschluss zurück. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellte es klar:

Ein formgültig abgeschlossener - hier: notariell beurkundeter - Vertrag bedarf auch bei einer nachträglichen Änderung der Form, in der er abgeschlossen wurde. Eine Ausnahme vom Erfordernis der notariellen Beurkundung konnte hier nicht gemacht werden. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn sie der Beseitigung einer bei der Abwicklung des Vertrages unerwartet aufgetretenen Schwierigkeit dienen. Der Inhalt der beiderseitigen Leistungsverpflichtungen darf davon aber nicht berührt werden.

Die Vereinbarung vom 08.06.2007 aber berührte sowohl die Verpflichtungen der Klägerin zur Kaufpreiszahlung als auch die Verpflichtung des Beklagten zur Herstellung der Wohnung, vor allem in zeitlicher Hinsicht. Damit werden gerade die Kernleistungsverpflichtungen geändert. Dazu hätte es einer notariell beurkundeten Vereinbarung bedurft. Ohne diese notarielle Beurkundung ist die Vereinbarung gem. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB forumunwirksam und damit nichtig. Der Bauträger war somit als an den Termin vom 31.10.2007 gebunden anzusehen.

Hinsichtlich der steuerlichen Bescheinigungen kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin einen Antrag stellen könnte. Denn auch bei einem Antrag würde festgestellt werden, dass es an der fortwährenden und hinreichend umfangreichen Abstimmung des Bauträgers mit der Denkmalschutzbehörde fehlte, sodass die entsprechenden Bescheinigungen nicht würden erteilt werden können. Da die Abstimmung auch nicht mehr nachgeholt werden kann, war festzustellen, dass der Klägerin ein Schaden in Form verminderter steuerlicher Abschreibungsmöglichkeiten entstehen wird. Diesen Schaden muss der Bauträger ihr ersetzen.

Der Bauträger wollte gegen die Entscheidung beim Bundesgerichtshof vorgehen. Dieser wies die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 09.07.2015, Az.: VII ZR 236/14, ab, ohne die Argumentation des OLG München abweichend aufzugreifen.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung hat besondere Bedeutung für Bauträger, ist aber auch für diejenigen wichtig, die aufgrund der steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten in denkmalgeschützte, sanierte Immobilien investieren wollen.
Um die Investitionsentscheidung zu erleichtern, werden in derartige Bauträgerverträge häufig verbindliche Fertigstellungstermine aufgenommen, sodass mit der Realisierung der steuerlichen Effekte und möglicher Mieteinnahme ab einem bestimmten Zeitpunkt gerechnet werden kann. Allerdings kommt es bei Bauvorhaben nicht selten vor, dass Fertigstellungstermine verschoben werden müssen. Wenn dieser Umstand eintritt, ist der Bauträger gut beraten, mit dem Käufer über einen anderen Fertigstellungstermin zu verhandeln. Da durch diese Verhandlungen aber ins Leistungsgefüge eingegriffen wird, genügt es nicht, die neue Vereinbarung schriftlich festzuhalten. Vielmehr muss das Ergebnis in einem Nachtragsvertrag notariell beurkundet werden.

Der Beschluss des OLG München betrifft aber nicht nur Fertigstellungstermine, sondern alle Vereinbarungen, die Leistungspflichten ändern sollen. Auch wenn ein Käufer z.B. eine Abweichung vom vertraglich vorgesehenen Zahlungsplan vereinbaren möchte, reicht es nicht, mit dem Bauträger eine schriftliche Abrede zu treffen. Auch hier bedarf es eines notariell zu beurkundenden Nachtrags, da die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung, insbesondere ihrer Art und Weise, geändert werden soll. Fehlte der Vereinbarung die notwendige Form, wäre sie nichtig. Es bliebe dann beim ursprünglichen Zahlungsplan, sodass dem Bauträger u.U. aufgrund verspäteter Zahlungen ein Anspruch auf Verzugszinsen zusteht.

Daneben macht die Entscheidung die Folgen deutlich, die es nach sich zieht, die denkmalgerechte Sanierung nicht mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde abzustimmen. Können die notwendigen steuerlichen Bescheinigungen aus diesem Grund nicht beigebracht werden, obwohl der Bauträger dazu verpflichtet ist, haftet er dem Käufer für die geringeren steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten - er ersetzt dem Käufer die Steuerersparnis also aus eigener Tasche. Derartige Sanierungsprojekte müssen also von Anfang an auch in denkmalschutzrechtlicher Hinsicht einwandfrei angegangen werden.

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