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Frankreich: Risiken bei der Beendigung von Geschäftsbeziehungen („rupture brutale“)

Die Kündigung von Geschäftsbeziehungen, die dem französischen Recht unterliegen, ist immer riskant. Nach Art. L 442-6 Nr. 5 des französischen Handelsgesetzbuchs darf eine bestehende kaufmännische „Beziehung“ nicht in „brutaler“ Weise gekündigt werden („de rompre brutalement, même partielement une rélation commerciale établie“). Wer gegen diesen Grundsatz verstößt, riskiert empfindliche Schadensersatzansprüche.

Der Gesetzestext spricht nicht von einem „Vertragsverhältnis“ („relation contractuelle“), sondern von einer „relation commerciale“, also von einer Geschäftsbeziehung. Dies ist eine ganz bewusste Formulierung um dem Anspruch auch dann Geltung zu verschaffen, wenn entweder kein Vertrag besteht, der Vertrag abgelaufen ist oder die tatsächliche Geschäftsbeziehung der vertraglichen Gestaltung nicht entspricht. Eine „brutale Beendigung“ liegt vor, wenn nicht die Kündigungsfrist eingehalten wurde, die die Rechtsprechung insbesondere aufgrund der Dauer der Geschäftsbeziehung als angemessen ansieht. Auf die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist kann sich der Kündigende demgegenüber nicht berufen. Diese Bestimmung findet zwar am häufigsten bei der Beendigung von Vertriebsvereinbarungen Anwendung, ist aber keineswegs auf diese Art der Geschäftsbeziehung begrenzt.

Auch wenn die dadurch geschaffene Rechtslage mit Risiken für die kündigende Partei verbunden ist, sind diese einigermaßen vorhersehbar, da es eine umfangreiche Rechtsprechung zur Dauer der Kündigungsfrist und der Höhe des zu ersetzenden Schadens gibt.

Seit dem Jahre 2011 ist allerdings ein zusätzlicher Risikofaktor hinzugekommen. Nicht nur die gekündigte Partei kann einen Schadensersatzanspruch geltend machen, sondern auch deren Subunternehmer. In einer Entscheidung vom 6. September 2011 (Cass.com. 06.09.2011, no. 10-11.975) entschied die Cour de Cassation, dass sich auch eine dritte Partei auf eine „brutale“ Kündigung  berufen kann. Eine neuerliche Entscheidung des Appelationsgerichts Paris (CA Paris, 27.02.2014, no. 12/04804) veranschaulicht diese Rechtslage:

In dem entschiedenen Fall hatte ein Herausgeber von Zeitschriften einem Druckereibetrieb über längere Zeit Aufträge erteilt. Der Druckereibetrieb hatte wiederum ein drittes Unternehmen mit dem Druck beauftragt. Nach Kündigung der ersten Geschäftsbeziehung mit einer offensichtlich zu kurzen Kündigungsfrist hatte der Druckereibetrieb auch dem Subunternehmer gekündigt; letzterer erhob nun Klage gegen den Herausgeber der Zeitschriften auf Schadensersatz. Er war mit seiner Klage auch teilweise erfolgreich.

Der klagende Subunternehmer stützte seine Klage auf die allgemeine Deliktsnorm des Art. 1382 Code Civil, dessen Anspruchsvoraussetzungen denkbar einfach sind: Es bedarf einer „faute“, also eines Fehlverhaltens, eines Schadens und der Kausalität zwischen beiden. Dabei kann eine „faute“ seit einer Rechtsprechungsänderung der Cour de Cassation im Jahre 2006 (Cass.com, 06.09.2011, no. 10-11.975) auch in der Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber einem Dritten liegen. In der Entscheidung von 2011 wertete die Cour de Cassation auch die brutale Beendigung der Geschäftsbeziehung als eine „faute“ im Sinne von Art. 1382 Code Civil. Die Kündigung stellt ein Fehlverhalten dar, auf das sich auch eine dritte Partei berufen kann. Damit wird die Entscheidung der Cour de Cassation aus dem Jahre 2006 auf diesen besonderen Fall der deliktischen Haftung erstreckt.

Der Schadensersatzanspruch des Subunternehmers umfasst wie auch der des direkten Vertragspartners seine Bruttomarge während des Zeitraums, um den die Kündigungsfrist zu kurz war. Daneben wurde dem Dritten aber verwehrt, auch noch Erstattung der durch Entlassungen entstandenen Sozialkosten zu bekommen: Er hatte die Kausalität zwischen der kurzen Kündigungsfrist und den Kündigungen des Personals nicht dargetan.

Dieses Ergebnis ist nicht nur aus dem Blickwinkel des Kündigenden sehr problematisch, sondern auch aus allgemeinen Überlegungen. Während im Verhältnis zu dem direkten Geschäftspartner die Voraussetzungen des Art. L 442-6 Nr. 5 vorliegen müssen, brauchen sie im Verhältnis zu dem Dritten nicht vorzuliegen; er kann auch dann Ansprüche geltend machen, wenn ihm gegenüber die Kündigung durch seinen direkten Partner ordnungsgemäß erfolgte.

Diese Risiken treten, wie der Beispielsfall zeigt, nicht nur bei der Beendigung von Vertriebsverträgen auf, sondern auch bei anderen Geschäftsbeziehungen. Da Art. L 442-6 Nr. 5 des französischen Handelsgesetzbuchs zwingendes Recht ist und der Anspruch des Dritten deliktischer Natur, ist eine vertragliche Gestaltung mit dem Ziel einer Begrenzung des Risikos innerhalb des französischen Rechts nicht möglich. Deshalb ist daran zu denken die Geschäftsbeziehung einem anderen Recht zu unterwerfen und einen nicht französischen Gerichtsstand zu vereinbaren. So erkennt die Cour de Cassation einen vereinbarten ausländischen (deutschen) Gerichtsstand auch für Klagen nach Art. L 442 -6 Nr. 5 Code de Commerce an (Cass.civ.1ère, 06.03.2007, Bull. I Nr. 93) . Dies schützt jedoch nicht gegen Klagen eines nicht vertraglich gebundenen Dritten. Ob Art. L 442-6 Nr. 5 Code de Commerce auch bei einer Vereinbarung des deutschen Rechts als Eingriffsnorm nach Art. 9 Rome I VO angehen würde, ist ungewiss. Es stehen sich eine Entscheidung des Appelationsgerichts Lyon vom 25.09.2008, in der diese Bestimmung als Eingriffsnorm bezeichnet wurde, und eine der Cour de Cassation vom 21.10.2008 gegenüber; in letzterer hat die Cour de Cassation sich damit begnügt, diese Bestimmung als eine deliktische Anspruchsgrundlage zu qualifizieren. Das bedeutet aus unserer Sicht allerdings nicht, dass ihr nicht doch ein Eingriffscharakter zuerkannt werden würde.  

Catherine Robin, Friedrich Niggemann    
Alérion avocats, Paris

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