Dr. Hendrik Thies, Fachanwalt für Handels- und GesellschaftsrechtDr. Jan Henning Martens, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Eine Insiderinformation liegt unabhängig von der Richtung der Kursbewegung vor

Für das Vorliegen einer Ad hoc-pflichtigen Insiderinformation ist es irrelevant, ob sich der Kurs nach oben oder nach unten bewegen wird. Entscheidend ist, dass der Information ein Kursbeeinflussungspotential zugemessen wird.

Nachdem die französische Finanzmarktaufsicht gegen die börsennotierte Gesellschaft Wendel SA ein Bußgeld wegen einer verspäteten Ad hoc-Meldung verhängt hatte, legte die Gesellschaft Rechtsmittel ein. Sie verteidigte sich mit dem Argument, es sei nicht absehbar gewesen, in welche Richtung sich der Kurs ändern würde. Der Kassationshof legte daraufhin dem EuGH die Frage zur Entscheidung vor, da das Insiderrecht auf der Marktmissbrauchsrichtlinie beruht.

Der EuGH (Urteil vom 11.03.2015, Az. C-628/13) lehnte diese Auffassung ab. Es komme nur auf die Eignung zur Kursbeeinflussung an. Die komplexen Entwicklungen an den Finanzmärkten würden es unmöglich machen, die Kursbewegung vorherzusehen. Das Interesse des Marktes an einer rechtzeitigen Information gehe vor, die Marktteilnehmer sollten sich nicht durch den Verweis auf eine falsche Einschätzung der Kursbewegung von einer Information abhalten lassen.

Die Entscheidung ist keine Überraschung. Die Transparenz des Kapitalmarktes ist dem EuGH und sowohl dem europäischen als auch dem deutschen Gesetzgeber äußerst wichtig. Auch das Gesetz lässt nicht erkennen, dass es auf die Richtung der Kursbewegung ankommen würde.

Börsennotierte Gesellschaften sollten vertrauliche Informationen immer auf deren Kursbeeinflussungspotential prüfen, und zwar nicht nur durch einen Abgleich mit dem Emittentenleitfaden der BaFin. Falls eine Ad hoc-pflichtige Insiderinformation vorliegt, kann die Veröffentlichung unter bestimmten Voraussetzungen durch einen Befreiungsbeschluss des Vorstandes herausgeschoben werden. Ein Befreiungsgrund im Sinne des § 15 Abs. 3 WpHG kann bspw. vorliegen, wenn eine Veröffentlichung dazu führen würde, dass das Ergebnis oder der Gang laufender Verhandlungen erheblich beeinträchtigt würde. Weitere Anforderungen (z.B. die Geheimhaltung der Information) sind zu erfüllen. Der Befreiungsbeschluss muss vom Vorstand bereits in dem Zeitpunkt gefasst werden, in dem die Ad-hoc Pflicht entsteht. Daher wird dem Vorstand einer börsennotierten AG empfohlen, mögliche Ad-hoc Pflichten immer ganz frühzeitig zu prüfen.

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