rsz mayer barbara7108.jpg

Aktiengesellschaft: Satzung kann Hauptversammlung im Ausland ermöglichen

Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft soll am Sitz der Gesellschaft stattfinden, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt (§ 121 Abs. 5 AktG). Häufig werden vom Satzungssitz abweichende Versammlungsorte durch eine Bestimmung in der Satzung ermöglicht. Ob jedoch auch ein Hauptversammlungsort im Ausland festgelegt werden kann, war bisher umstritten. Einige Obergerichte in Deutschland lehnten Hauptversammlungen im Ausland ab (z.B. OLG Hamburg, Beschluss vom 07.05.1993, Az. 2 Wx 55/91). Begründet wurde dies u.a. damit, dass bei beurkundungsbedürftigen Beschlüssen im Ausland kein deutscher Notar für die Beurkundung greifbar sei.

Der Bundesgerichtshof entschied jetzt, dass die Satzung einer deutschen AG oder SE auch Hauptversammlungen im Ausland ermöglichen kann (BGH, Urteil vom 21.10.2014, Az. II ZR 330/13). Die Tatsache, dass ein deutscher Notar im Ausland nicht tätig werden darf und deshalb für das Protokoll nicht zur Verfügung steht, ist dabei unerheblich. Denn Beschlüsse können auch durch ausländische Notare beurkundet werden, wenn dies der deutschen Beurkundung gleichwertig ist, d.h. der Notar in dem jeweiligen Land eine ähnliche Stellung hat wie ein Notar in Deutschland. Zudem werden nicht in jeder Hauptversammlung beurkundungsbedürftige Beschlüsse gefasst. Jedoch muss die Satzung die Auswahl des Versammlungsortes nach sachgerechten, an den Interessen der Aktionäre ausgerichteten Kriterien einschränken. Es darf z.B. nicht die Wahl unter einer großen Zahl geographisch weit auseinanderliegender Orte bestehen.

Im konkreten Fall erachtete der BGH eine Bestimmung in der Satzung einer Societas Europea (SE), wonach die Hauptversammlung auch außerhalb Deutschlands in einer Stadt der EU mit mehr als 500.000 Einwohnern oder einem Börsensitz stattfinden kann, für zu weitgehend, da sie die Auswahl unter mehr als 60 Städten eröffnete. Die Satzung sollte also eine konkretere Regelung für den Ort der Hauptversammlung vorsehen.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs schafft insbesondere für Aktiengesellschaften mit ausländischen Mehrheitsaktionären Rechtssicherheit; denn gerade bei solchen Gesellschaften liegt es nahe, die Hauptversammlungen am Sitz des Mehrheitsaktionärs abzuhalten. Auch für Europäische Aktiengesellschaften (SE) ist das Urteil von besonderer Bedeutung: durch die Zulassung ausländischer Versammlungsorte kann eine SE ihrem Charakter als europäische Gesellschaft in besonderer Weise gerecht werden. Die Interessen der (Minderheits-) Aktionäre sind dabei hinreichend geschützt: die Satzung muss eine eingeschränkte Auswahl anhand sachgerechter Kriterien vorsehen. Dabei dürfte v.a. eine gute Erreichbarkeit des Versammlungsortes für die Aktionäre entscheidend sein.

Stehen  Beschlüsse an, die von einem Notar beurkundet werden müssen, ist allerdings auch künftig Vorsicht angebracht: denn dann ist ein lokaler Notar erforderlich, dessen Stellung mit der eines deutschen Notars vergleichbar ist. Das ist in Basel und Zürich eher gewährleistet als in London oder Bukarest. Bei eintragungspflichtigen Beschlüssen (wie etwa Kapitalerhöhungen oder Satzungsänderungen) empfiehlt es sich, diese Frage vorab mit dem zuständigen Handelsregister zu klären.

Kontakt > mehr