Russisches Roulette im Gesellschaftsrecht

Basis einer Gesellschaftsgründung oder eines Joint Ventures ist regelmäßig ein gemeinsames Interesse und ein Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern. Treten jedoch später Konflikte auf, kann dies die Entscheidungsfindung stark beeinträchtigen. Bei 50/50-Beteiligungen drohen Patt-Situationen bis hin zum Entscheidungsstillstand. Für solche „Dead-Lock-Situationen" gibt es mehr oder minder drakonische Lösungen, darunter „Russian Roulette" und „Texan Shoot Out". Das OLG Nürnberg hat die Wirksamkeit solcher Regelungen bestätigt.

Die gesetzlichen Regelungen für Patt-Situationen zwischen Gesellschaftern sind unbefriedigend: Das GmbH-Gesetz sieht neben der Auflösung der Gesellschaft nur den Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund vor. Ergänzend dazu enthalten GmbH-Verträge häufig Regelungen zur Kündigung eines Gesellschafters (ohne wichtigen Grund) und zur Einziehung von Geschäftsanteilen.

Ausstiegsklauseln: Russian Roulette und Texan Shoot Out

Um die Selbstblockade aufgrund einer Pattsituation aufzulösen, finden sich in neueren Joint-Venture- und Gesellschaftsverträgen vermehrt aus der anglo-amerikanischen Vertragspraxis stammende Klauseln, die einem Gesellschafter den schnellen Ausstieg ermöglichen. Ein Beispiel ist die Russian-Roulette-Klausel. Deren Grundidee ist folgende: Der initiierende Gesellschafter bietet dem anderen Gesellschafter seine Geschäftsanteile zu einem bestimmten Preis an. Der andere Gesellschafter erhält dann ein Wahlrecht: Er kann entweder das Angebot innerhalb einer bestimmten Frist annehmen und durch den Anteilserwerb Alleingesellschafter werden. Oder er kann seine Geschäftsanteile dem anderen Gesellschafter zu dem in dem Angebot genannten Preis verkaufen. Damit würde der initiierende Gesellschafter die Anteile des anderen erwerben und Alleingesellschafter werden.

Noch drakonischer ist ein Texan Shoot Out: Beide Gesellschafter übermitteln danach einem unabhängigen Dritten (häufig: einem Notar) ein verdecktes Kaufangebot für die Anteile des anderen. Die beiden Angebote werden gleichzeitig geöffnet. Das höhere Angebot kommt zum Zug, d.h. derjenige, der mehr geboten hat, muss die Anteile des anderen Gesellschafters kaufen.

Entscheidende Vorteile solcher Klauseln sind die Schnelligkeit des Ausstiegsverfahrens und die Gewährleistung eines angemessenen Preises. Die Gefahr, kurzfristig aus der Gesellschaft auszuscheiden, kann zudem bei entstehenden Konflikten die Einigungsbereitschaft erhöhen. Ein Nachteil der Klauseln liegt in der Unvorhersehbarkeit: kein Gesellschafter weiß im Voraus, ob das Verfahren mit einem Ausstieg oder der Alleingesellschafterstellung endet. Unklar war bislang auch ihre Wirksamkeit.

OLG Nürnberg: Russian-Roulette-Klausel in Zwei-Personen-Gesellschaft wirksam

Erstmals hat sich nun ein Gericht mit der Wirksamkeit dieser Klauseln beschäftigt. Das OLG Nürnberg hat in seinem Urteil vom 20. Dezember 2013 (Az. 12 U 49/13) eine Russian-Roulette-Klausel für den Fall einer zweigliedrigen Kapitalgesellschaft als grundsätzlich wirksam erachtet. Zwar werden sog. Hinauskündigungsklauseln, die einem Gesellschafter ohne Vorliegen besonderer Umstände ein freies Kündigungsrecht einräumen, vom Bundesgerichtshof als sittenwidrig und deshalb nichtig eingestuft. Der mit einer Russian-Roulette-Klausel verfolgte Zweck, die Auflösung einer möglichen Selbstblockade herbeizuführen, sei aber zumindest bei einer Gesellschaft mit zwei gleich hoch beteiligten Gesellschaftern sachlich gerechtfertigt. Dies gelte auch für die ergänzende Regelung, dass mit dem Ausstieg auch der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag des ausscheidenden Gesellschafters beendet wird und dieser zur Niederlegung seiner Ämter verpflichtet ist.

Nach Ansicht des OLG Nürnberg kann eine Russian-Roulette-Klausel aber dann unwirksam sein, wenn einer der beiden Gesellschafter von Anfang an finanziell gar nicht in der Lage ist, dem anderen Gesellschafter ein Erwerbsangebot zu machen. Nicht auszuschließen ist auch, dass eine Klausel nachträglich unwirksam wird, wenn sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesellschafter unterschiedlich entwickelt.

Satzungsgestaltung

Das Ausstiegsverfahren führt letztendlich zu einem Beteiligungskauf im Schnellverfahren. Eine optimale Satzungsgestaltung enthält daher nicht nur Ausstiegsklauseln, sondern auch Regelungen zu Folgefragen:

  • Fälligkeitsregeln, Zwangsvollstreckungsunterwerfung
  • Gewinnbezugsrechte
  • Verlust der Organstellung des ausscheidenden Gesellschafters
  • Wettbewerbsverbot, Kundenschutzklausel
  • Schicksal von Gesellschafterdarlehen und -bürgschaften
  • Kartellrechtliche Genehmigungen (Fusionskontrolle)
  • Garantien
  • Schicksal von IP-Rechten und Know-How
  • Übernahme der Kosten der Anteilsübertragung (Notarkosten)

Dr. Barbara Mayer
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

Stephanie von Riegen

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