Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung endgültig für unwirksam erklärt

Die gute Nachricht für alle Steuerzahler vorab: Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 08.04.2014 (Az.: C-293/12 und C-594/12) die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt hat, dürfte auch das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen der fehlenden nationalen Umsetzung der Richtlinie (nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im März 2010 die deutsche Umsetzung für nichtig erklärt hatte) vom Tisch sein. Bei einer Verurteilung hätten Deutschland Strafzahlungen von bis zu 115 Mio. EUR pro Jahr gedroht (wir berichteten).

Der EuGH war mit zwei Vorabentscheidungsersuchen des irischen „High Courts" einerseits und des Verfassungsgerichtshofs von Österreich andererseits befasst. In beiden Ausgangsverfahren hatten betroffene Bürger bzw. eine Interessenvertretung - wie in Deutschland bereits im Jahr 2010 - gegen die jeweilige nationale Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung geklagt. Bereits im Dezember 2013 hatte der Generalanwalt in seinem Schlussantrag die Auffassung vertreten, dass die Richtlinie unwirksam sei.

Im Ergebnis war die Entscheidung des EuGH - spätestens nach diesem Antrag - keine Überraschung mehr und wurde allgemein erwartet. Sie deckt sich im Ergebnis und weiten Teilen der Begründung mit der Entscheidung des BVerfG aus dem März 2010, mit der die deutsche Umsetzung der Richtlinie für verfassungswidrig erklärt wurde. Auch der EuGH ist der Auffassung, dass die Richtlinie in unverhältnismäßiger Weise in das Recht auf Achtung des Privatlebens und das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten eingreife. Die Richtlinie betreffe anlasslos alle Kommunikationsdaten, und damit auch all diejenigen Personen, bei denen kein Anhaltspunkt dafür bestehe, dass sie mit dem Ziel der Richtlinie - der Bekämpfung schwerer Straftaten - in irgendeiner Weise in Berührung kommen. Die Richtlinie enthalte darüber hinaus keine Beschränkungen für den Zugang zu den gespeicherten Daten, sondern überlasse dies den nationalen Umsetzungen. Und zu guter Letzt schreibe die Richtlinie eine Speicherung von mindestens 6 Monaten vor, ohne nach dem Nutzen für das Ziel der Strafverfolgung zu differenzieren. Dabei fehlten auch objektive Kriterien, die gewährleisten, dass die Dauer auf das Minimum beschränkt werde.

Mit dieser Begründung geht der EuGH aber an einer nicht unwesentlichen Stelle deutlich über die Argumentation des Generalanwalts und auch des BVerfG hinaus: Diese hatten jedenfalls dann keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine anlasslose Speicherung aller Kommunikationsdaten, wenn der Zugriff auf und die Speicherung der erhobenen Daten rechtskonform gestaltet würde. Der EuGH gibt aber nun recht deutlich zu verstehen, dass aus seiner Sicht die Vorratsdatenspeicherung auf diejenigen Daten zu beschränken ist, bei denen ein Zusammenhang mit schweren Straftaten oder einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit besteht.

Der Erlass einer neuen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nach den Vorgaben des EuGH dürfte sehr schwierig werden. Anders als noch das BVerfG hat der EuGH wenige konkrete Kriterien vorgegeben, die für eine wirksame Richtlinie erforderlich sind. Die vorstehend geschilderte Argumentation des EuGH zur anlasslosen Speicherung läuft aber wohl eher auf eine Art „Quick-Freeze"-Verfahren hinaus, bei dem die Telekommunikationsanbieter erst auf Zuruf der Ermittlungsbehörden und bei Verdacht schwerer Straftaten verpflichtet sind, bestimmte Daten zu speichern.

Dem Vernehmen nach hat die Bundesregierung bereits reagiert und sämtliche Pläne für eine nationale Regelung auf Eis gelegt, bis eine neue europäische Richtlinie vorliegt. Dies dürfte allerdings frühestens im Herbst 2016 der Fall sein, so dass eine Umsetzung in Deutschland noch in dieser Legislaturperiode äußerst unwahrscheinlich erscheint.

Sollte es zu irgendeinem Zeitpunkt zu einem erneuten Versuch kommen, kann dies letztlich auch für Unternehmen erhebliche Folgen haben. Nach den bisherigen Erfahrungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass von der Vorratsdatenspeicherung (oder einem „Quick-Freeze"-Verfahren) auch Unternehmen betroffen sein könnten, die nicht zu den klassischen Telekommunikationsdiensteanbietern (z.B. Telefon- oder Internetanbieter, E-Mail-Provider) gehören. Dies stand in der Vergangenheit jedenfalls für solche Unternehmen und Einrichtungen im Raum, die nicht nur einem eng abgrenzbaren Personenkreis (wie z.B. eigenen Mitarbeitern oder immatrikulierten Studenten), sondern auch weiteren Personen (etwa Kunden, Gäste) Zugang zum Internet ermöglichen. Gerade kleinere und mittelständische Unternehmen - unabhängig ob Telekommunikationsdiensteanbieter oder nicht - könnte die Schaffung der notwendigen Infrastruktur dann vor erhebliche Probleme stellen.

Dr. Frank Jungfleisch
Sebastian Hoegl, LL.M. (Wellington)

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