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Der Internetvertrieb ist im Automobilhandel zwischenzeitlich allgegenwärtig. Da sich nunmehr auch die Hersteller selbst sehr aktiv mit dem Internetvertrieb beschäftigen, ist es umso wichtiger, dass die beteiligten Hersteller und Händler wissen, welche Direktiven die EU-Kommission dafür herausgegeben hat.

Vorab sei angemerkt: In den USA hat der Hersteller nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Fahrzeuge selbst zu vertreiben oder über ein Händlernetz vertreiben zu lassen - aber ohne jeglichen Direktverkauf durch den Hersteller. Das ist weise gedacht und hat sich - übrigens auch für die Hersteller - bisher als interessengerecht für alle Beteiligten erwiesen.

Leider ist diese Weisheit in Europa noch nicht angekommen, weswegen der Direktvertrieb in den vergangenen Jahren (sei es nun über Niederlassungen oder der Vertrieb direkt an Großkunden) in einem Maße zugenommen hat, dass an sich eine kartellrechtliche Überprüfung dieser Handlungsweise geboten ist. Solange diese nicht stattfindet, gilt aber zumindest das, was die EU-Kommission in ihren Richtlinien zum Ausdruck gebracht hat: Sie hat zumindest Punkte aufgezeigt, wo eine Beschränkung des Internetvertriebs durch den Hersteller unzulässig ist, aber gleichzeitig auch einige Hinweise gegeben, welche Beschränkungen der Hersteller zulässigerweise machen darf. Da merkwürdiger Weise diese Eckpunkte weitestgehend unbekannt sind, sollen sie nachstehend dargestellt werden:

Der Hersteller darf folgende Einschränkungen nicht vornehmen:

  • Keine Verpflichtung des Händlers, seine Homepage nur in deutscher Sprache zu betreiben. Das ist für Handelsunternehmens wichtig, die schon jetzt europaweit tätig sind, aber auch für solche, die relativ nahe an der Grenze zu einem anderen europäischen Staat liegen und es sich deshalb als sinnvoll erweist, die Sprache des Nachbarlandes nicht außer Acht zu lassen.
  • Keine Verpflichtung des Händlers, eine automatische Umleitung auf die Website des Herstellers oder andere Händler einzurichten. Das wurde von verschiedenen Herstellern mit der Begründung versucht, der Händler habe sich auf sein Vertragsgebiet oder Marktverantwortungsgebiet zu konzentrieren, weswegen die Umleitung auf den Hersteller oder Haupthändler erfolgen müsse. Das ist unzulässig.
  • Keine Verpflichtung des Absatzmittlers, Transaktionen zu unterbrechen, sobald die Kreditkarte eine Adresse erkennen lässt, die nicht im Vertragsgebiet des Händlers liegt. Mit dieser Verpflichtung will der Hersteller bewirken, dass alle Interessenten außerhalb des Vertragsgebietes ausgeschlossen werden. Allerdings ist eine Behinderung hinsichtlich sog. Komm-Kunden schon grundsätzlich kartellrechtlich unzulässig: Jeder Kunde soll kaufen dürfen, wann und wo immer er will.
  • Keine Pflicht des Händlers, den über das Internet getätigten Teil seiner Gesamtverkäufe zu begrenzen. Mit anderen Worten: Wer ein kleines Vertragsgebiet hat und demzufolge im Gesamtverkauf ohnehin begrenzt ist, darf nicht im Internetverkauf auf diesen Gesamtverkauf begrenzt werden. Das hat letztlich auch zur Folge, dass für den Handel das Vertragsgebiet oder auch Marktverantwortungsgebiet eine geringere Rolle spielt.
  • Keine Pflicht des Absatzmittlers, für Vertragsware, die er über seinen Internetauftritt verkauft, einen höheren Preis zu verlangen als für Vertragswaren, die von ihm unmittelbar in seinem Autohaus abgesetzt werden. Bekanntlich ist jede Einflussnahme des Herstellers auf die Preisbindung durch den Handel die kartellrechtliche „Todsünde" überhaupt. Folglich muss jegliche Einflussnahme unterbleiben, und zwar auch im Internetvertrieb.

Internetvertrieb nicht schrankenlos

Wie bereits oben erwähnt, hat die EU-Kommission in ihren Leitlinien aber auch einige Hinweise aufgegeben, wie und in welcher Weise der Hersteller Einschränkungen gegenüber dem Handel machen darf, wobei - bei genauer Prüfung - diese Einschränkungen durchaus als sachlich angemessen erscheinen:

  • Dem Händler darf verboten werden, Domainendungen (sog. Top-Level-Domains) anderer Länder zu benutzen. Hier spielt insbesondere der Gesichtspunkt der Irreführung eine maßgebliche Rolle, denn es soll für den Kunden bei erster Sichtung deutlich werden, in welchem Land der Händler seinen Sitz hat. Das ist nicht zu beanstanden.
  • Verbot gegenüber dem Händler, E-Mails gezielt in andere Vertragsgebiete zu versenden oder versenden zu lassen. Das ist nachvollziehbar, denn sonst könnte man die Vereinbarung eines Vertragsgebietes von Vornherein weglassen. Da das Vertragsgebiet aber häufig auch für Prämien und Bonifizierungen eine gewisse Rolle spielt, scheint dieses Verbot durchaus angemessen.
  • Der Hersteller kann dem Händler die Pflicht auferlegen, ein physisches Ladengeschäft zu betreiben. Natürlich ist der Internetverkauf mit weniger Kosten verbunden als die Unterhaltung eines Autohaus und eines entsprechenden Ausstellungsraumes. Infolgedessen hat diese Regelung zum Gegenstand, dass alle Vertriebspartner insoweit gleich behandelt werden sollen und nicht etwa die Vertriebspartner einen finanziellen Vorteil dadurch erhalten, dass sie nur noch im Internet zuhause sind und überhaupt kein Autohaus mehr unterhalten.
  • Der Hersteller ist berechtigt, Qualitätsanforderungen an die Internetpräsenz und die Ausgestaltung des Vertriebs zu stellen. Die Berechtigung ähnelt dem Recht des Herstellers, die Standards für den Markenauftritt, für das Ladengeschäft u.a. zu stellen. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn nicht die Standards bzw. die Qualitätsanforderungen an die Internetpräsenz überzogen wären. Eine Einzelfallprüfung ist hierbei jeweils erforderlich.

Konsequenz

Werden vorstehende Grundsätze nicht oder nicht hinreichend beachtet, läuft der jeweilige Hersteller Gefahr, dass sein Vertriebssystem insgesamt nicht mehr freigestellt (zu Deutsch: erlaubt) ist, was sogar die Nichtigkeit aller Vertriebsverträge zur Folge haben kann. Es liegt also auch und gerade im Interesse der Hersteller, diese Leitlinien der EU-Kommission nicht unbeachtet zu lassen.

Prof. Dr. F. Christian Genzow

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