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Deutsche Fusionskontrolle bei Zusammenschlüssen im Ausland - Bundeskartellamt veröffentlicht neues Merkblatt

Wenn sich zwei Unternehmen zusammenschließen, die (beide) ihren Sitz im Ausland haben, aber in Deutschland tätig sind, stellt sich häufig die Frage, ob der Zusammenschluss beim Bundeskartellamt angemeldet werden muss. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn die beteiligten Unternehmen bestimmte Umsatzschwellen erreichen. Das Vorhaben muss darüber hinaus hinreichende wettbewerbliche Auswirkungen auf Deutschland haben. Das Bundeskartellamt hat am 30.09.2014 ein neues Merkblatt zu Inlandsauswirkungen in der Fusionskontrolle veröffentlicht. Es ersetzt das Vorgängerdokument von 1999 und soll Hilfestellung geben bei der Einschätzung, ob ein im Ausland vollzogener Zusammenschluss ausreichende Auswirkungen in Deutschland hat, um eine Anmeldepflicht zu begründen.

Fusionskontrolle bei Auslandszusammenschlüssen

Die deutsche Fusionskontrolle findet Anwendung bei Überschreiten folgender Umsatzschwellen: 500 Mio. EUR weltweit für alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zusammen, 25 Mio. EUR im Inland für einen Beteiligten und 5 Mio. EUR im Inland für einen weiteren Beteiligten. Auslandszusammenschlüsse sind anmeldepflichtig, wenn zusätzlich das Merkmal der Inlandsauswirkung erfüllt ist. Inlandsauswirkungen sind gegeben, wenn ein Zusammenschluss geeignet ist, die Voraussetzungen für den Wettbewerb auf Inlandsmärkten spürbar zu beeinflussen. Dabei werden an die Spürbarkeit keine hohen Anforderungen gestellt.

Das Merkblatt des Bundeskartellamts

Das Bundeskartellamt teilt Zusammenschlüsse in Bezug auf Inlandsauswirkungen in drei Kategorien ein: (i) klare Fälle mit Inlandsauswirkungen, (ii) klare Fälle ohne Inlandsauswirkungen und (iii) Fälle mit Einzelfallprüfung:

Klare Fälle mit Inlandsauswirkungen lösen stets eine Anmeldepflicht aus. Dies betrifft Zusammenschlüsse mit nur zwei Beteiligten (Erwerber und Zielunternehmen beim Erwerb alleiniger Kontrolle), die die deutschen Umsatzschwellen erreichen. Bei mehr als zwei Zusammenschlussbeteiligten ist ein klarer Fall von Inlandsauswirkungen gegeben, wenn das Gemeinschaftsunternehmen in Deutschland Umsätze von mehr als 5 Mio. EUR erzielt.

Klare Fälle ohne Inlandsauswirkungen („safe harbour") liegen vor, wenn ein Auslands-Gemeinschaftsunternehmen weder aktuell noch potenziell auf einem Inlandsmarkt aktiv ist bzw. bei einer Neugründung zukünftig sein wird. Außerdem dürfen sich keine Inlandsauswirkungen aus Spillover-Effekten zwischen den Muttergesellschaften des Gemeinschaftsunternehmens auf einem Inlandsmarkt ergeben. Dies ist der Fall, wenn die Muttergesellschaften auf dem Produktmarkt, auf dem das Gemeinschaftsunternehmen im Ausland tätig ist, im Inland tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber sind und einen gemeinsamen Marktanteil von mehr als 20 % haben. Das gleiche gilt, wenn Mutterunternehmen auf einem dem Produktmarkt des Gemeinschaftsunternehmens vor- oder nachgelagerten Produktmarkt im Inland tatsächliche Wettbewerber sind und einen gemeinsamen Marktanteil von mehr als 20 % erreichen.

In allen übrigen Fällen von Zusammenschlüssen mit mehr als zwei Beteiligten muss eine Einzelfallprüfung erfolgen. Hierfür gibt das Merkblatt einige Hinweise. Spürbare Inlandsauswirkungen liegen in der Regel nicht vor, wenn ein Gemeinschaftsunternehmen nur marginal auf Inlandsmärkten tätig ist. Weniger als 5 Mio. EUR Umsatz oder ein Marktanteil von weniger als 5 % bedeuten nicht zwingend eine nur marginale Tätigkeit. Anhaltspunkte für eine mehr als marginale Marktposition können sich z.B. aus der Übertragung von erheblichen Unternehmensressourcen wie gewerblichen Schutzrechten oder Know-how auf das Gemeinschaftsunternehmen ergeben. Außerdem können selbst bei einer nur marginalen Tätigkeit des Gemeinschaftsunternehmens im Inland spürbare Inlandsauswirkungen aufgrund der o.g. Spillover-Effekte zwischen den Muttergesellschaften vorliegen.

Bewertung

Die Neufassung des Merkblatts durch das Bundeskartellamt ist zu begrüßen, eine vergleichbare Stellungnahme anderer Kartellbehörden existiert bislang nicht. Dennoch bleiben Rechtsunsicherheiten bei der Beurteilung der Inlandsauswirkungen von Transaktionen mit Auslandsbezug. Eindeutig geregelt sind Zusammenschlüsse mit zwei Beteiligten, also der Fall, dass ein Unternehmen ein anderes Unternehmen erwirbt und der bisherige Inhaber die Kontrolle vollständig abgibt. Dann besteht eine Anmeldepflicht, wenn der Käufer und das Zielunternehmen die deutschen Umsatzschwellen erreichen. Auch eindeutig geregelt ist der umgekehrte Fall: eine Anmeldepflicht besteht mangels Inlandsauswirkungen nicht, wenn ein Unternehmen von mehreren Gesellschaftern kontrolliert wird und das Gemeinschaftsunternehmen nicht einmal potenziell auf einem Inlandsmarkt aktiv ist. Letzteres dürfte vielfach schwer feststellbar sein. Die meisten Zusammenschlüsse mit mehreren Beteiligten unterliegen daher weiterhin dem Graubereich der Einzelfallprüfung. Auch hier bleibt aber weitgehend offen, wann eine nur marginale Tätigkeit oder die Übertragung von erheblichen Unternehmensressourcen vorliegt. Die Feststellung des Bestehens von Inlandsauswirkungen eines Auslandszusammenschlusses ist deshalb nach wie vor mit Unsicherheiten behaftet.

Praxisempfehlung

Bei Zweifeln über das Bestehen einer Anmeldepflicht empfiehlt das Bundeskartellamt eine informelle Abklärung mit der zuständigen Beschlussabteilung. Kann eine Anmeldepflicht jedoch nicht sicher ausgeschlossen werden, sollten die Beteiligten den geplanten Zusammenschluss vorsorglich anmelden und die Frage der Anmeldepflicht offen lassen. Zwar verursachen Fusionsanmeldungen Zeit- und Kostenaufwand. Allerdings genießen die Zusammenschlussbeteiligten durch das Fusionskontrollverfahren Rechtssicherheit. Denn der Vollzug von Zusammenschlussvorhaben unter Missachtung fusionskontrollrechtlicher Anmeldepflichten kann gravierende Folgen haben. So kann das Bundeskartellamt bei einer Verletzung der Anmeldepflicht Bußgelder verhängen. Vor allem jedoch ist der Vollzug ohne erforderliche Freigabe des Bundeskartellamts zivilrechtlich unwirksam.

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