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Compliance: Vermögensverschiebung innerhalb eines Konzerns als Untreuetatbestand in Österreich

Der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) hat Anfang des Jahres ein grundlegendes, sehr überraschendes Urteil in einem Strafprozess gefällt: Er hat eine Vermögensverschiebung von der Tochter- zur Muttergesellschaft als Untreue qualifiziert, obwohl die Verschiebung innerhalb eines Konzerns von der rechten in die linke Tasche erfolgte. Für die Bejahung der Untreue reichte aus, dass eine rechtlich selbständige Konzerngesellschaften einen Vermögensnachteil erlitten hat.

Der Sachverhalt

Librodisk Handels AG plante im Jahr 1999 eine Verschmelzung mit ihrer Muttergesellschaft UD-AG (Alleinaktionärin), wobei die Muttergesellschaft in die Tochtergesellschaft verschmolzen werden sollte (Down-Stream-Merger) Die dafür notwendige Schuldenfreistellung der Alleinaktionärin erfolgte durch Ausschüttung einer Sonderdividende der Librodisk Handels AG an ihre Muttergesellschaft UD-AG, wobei in der Bilanz tatsachenwidrig ein überhöhter Gewinn ausgewiesen wurde. Um die Sonderdividende finanzieren zu können, hat Librodisk Handels AG außerdem ein Darlehen aufgenommen. Nach der erfolgten Verschmelzung im Jahr 1999 wurde im Jahr 2001 über das Vermögen des Librodisk Handels AG das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Vorstandsmitglieder, der Aufsichtsratsvorsitzende sowie der Wirtschaftsprüfer (!) der Librodisk Handels AG wurden aufgrund dieses Sachverhaltes unter anderem wegen des Vorwurfes der Untreue angeklagt.

Der Untreuetatbestand

Untreue begeht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen (dem Vertretenen) einen Vermögensnachteil zufügt (§ 153 österr. StGB). Sowohl die Verteidigung, als auch die Generalprokuratur (!), welche beim OGH den Staat als Rechtswahrer vertritt, argumentierten, dass eine Vermögensverschiebung von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft (durch Ausschüttung der Sonderdividende), also innerhalb von Konzernunternehmen keinen Vermögensnachteil iSd § 153 StGB darstelle, da beide Gesellschaften als wirtschaftliche Einheit zu sehen seien, da die Muttergesellschaft 100% der Geschäftsanteile an der Tochtergesellschaft hält.

Die OGH-Entscheidung (12 Os 117/12s vom 30.01.2014)

Der OGH sah dies überraschend jedoch anders, denn „dem Konzern" komme keine eigene Rechtspersönlichkeit zu; dies ergebe sich bereits aus dem Konzernbegriff des § 15 österr. AktG, der auf rechtlich selbständige Unternehmen abstellt, welche sich zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitliche Leitung zusammenfassen. Der Konzern als solcher sei kein Rechtsträger. Es sei für den Untreuetatbestand daher entscheidend, ob der ausschüttenden Tochtergesellschaft, also Librodisk Handels AG unmittelbar ein Schaden entstanden ist, was im konkreten Fall durch den Konkurs der Librodisk Handels AG im Jahr 2001 der Fall war. Den beantragten Freisprüchen ist der OGH daher nicht gefolgt, jedoch hat er aufgrund der langen Verfahrensdauer die Strafen der Vorstandsmitglieder herabgesetzt. Die Urteile gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden und den Wirtschaftsprüfer wurden aufgehoben und die Verfahren an die erste Instanz zurückverwiesen, weil das Erstgericht den Vorsatz nicht zweifelsfrei festgestellt habe.

Aufgrund dieser Rechtsprechung ist daher- jedenfalls in Österreich - bei Vermögensverschiebungen innerhalb eines Konzernes darauf zu achten, dass die einzelnen Konzerngesellschaften als rechtlich selbständige Unternehmen keinen Vermögensnachteil erleiden. Eine fehlende mittelbare Schädigung der Gesellschafter ist aufgrund der Trennung des Vermögens der Gesellschaft von jenem der Gesellschafter nicht ausreichend, um sich als Vorstand der strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen.

Es ist davon auszugehen, dass das Urteil auch auf weitere medial präsente Strafverfahren Auswirkungen haben wird. In dem Strafverfahren gegen Banker Julius Meinl V. wurde dem Vernehmen nach mit der Anklageerhebung bis zur Urteilsfällung in der Causa Libro gewartet. Die Entscheidung liegt nun bereits beim Justizminister, ob nun nach 5 Jahren Ermittlungsverfahren gegen Julius Meinl V. Anklage erhoben wird.

Alexander Singer und Nora Michtner, Singer Fössl Rechtsanwälte OG, Wien, www.sfr.at

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