Aufteilung einer Kartellgeldbuße unter mehreren Gesellschaften im Konzern

Eine Geldbuße, die die Europäische Kommission gegen mehrere Gesellschaften als Gesamtschuldner verhängt hat, muss in einem Konzern nicht zwangsläufig allein die Muttergesellschaft tragen. Im Innenverhältnis ist die kartellrechtliche Geldbuße unter den beteiligten Gesellschaften im Konzern zu verteilen; maßgebend sind die jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge und die den Gesellschaften zugeflossenen Mehrerlöse und sonstigen Vorteile. Dies hat der BGH mit Urteil vom 18.11.2014 (KZR 15/12) entschieden.

Hintergrund

Die Klägerin war bis 2007 Alleingesellschafterin der Beklagten zu 2), die 2004 sämtliche Anteile an der Beklagten zu 1) erwarb. Beschäftigte der Beklagten zu 1) nahmen damals bereits seit einigen Monaten an Kartellabsprachen zum Vertrieb von Calciumcarbid und später auch von Magnesiumgranulat teil. Die Europäische Kommission verhängte deshalb 2009 gegen die Klägerin und die Beklagten als Gesamtschuldner eine Geldbuße in Höhe von 13,3 Mio. EUR wegen Verstoß gegen das europäische Kartellrecht. Während die Rechtsmittelverfahren der Beklagten mittlerweile beim EuGH anhängig sind, zahlte die Klägerin auf die Geldbuße und angefallene Zinsen ca. 6,8 Mio. EUR. Mit ihrer Klage begehrt sie von den Beklagten als Gesamtschuldner die Erstattung dieses Betrags, da sie sich nicht selbst an dem Kartell beteiligt habe.

Die Instanzgerichte hatten die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des OLG müsse die Klägerin als Obergesellschaft unabhängig von einem etwaigen Verursachungsbeitrag die Geldbuße im Innenverhältnis alleine tragen, weil ihr mögliche wirtschaftliche Erfolge aus dem kartellrechtswidrigen Verhalten, etwa durch Gewinnausschüttungen oder Wertsteigerung der von ihr gehaltenen Geschäftsanteile, zugeflossen seien.

Das Urteil des BGH vom 18.11.2014

Der BGH hat das Urteil des OLG aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung zurückverwiesen. Nach der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung des EuGH obliegt den nationalen Gerichten die Entscheidung über den Ausgleich im Innenverhältnis unter Anwendung des jeweiligen nationalen Rechts. Im vorliegenden Fall führt dies zur Anwendbarkeit des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 BGB. Danach haften Gesamtschuldner zu gleichen Teilen, sofern nicht etwas anderes bestimmt ist. Zahlt einer der Gesamtschuldner, kann er von den anderen Ausgleich verlangen. Das Argument des OLG,  die Konzernmutter müsse die Geldbuße alleine tragen, da sie alleinige wirtschaftliche Nutznießerin war, erachtete der BGH deshalb als nicht tragfähig. Das OLG müsse bei seiner erneuten Entscheidung die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen, insbesondere die jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge und die den Gesellschaften zugeflossenen Mehrerlöse und sonstigen Vorteile. Eine Alleinhaftung der Konzernmutter sei trotzdem denkbar. Ausgleichsansprüche einer Obergesellschaft gegen abhängige Gesellschaften können z.B. bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags ausgeschlossen sein.

Anmerkung

Nicht nur dieser Fall zeigt, dass die deutschen und europäischen Kartellbehörden empfindliche Geldbußen verhängen, oftmals in zweistelliger Millionenhöhe. Soweit die Kartellsünder als wirtschaftliche Einheit anzusehen sind, können ihnen die Geldbußen als Gesamtschuldner auferlegt werden. Nach außen haften sie jeder für den vollen Betrag, die Kartellbehörde hat also die Wahl, von wem sie die Geldbuße ganz oder zum Teil einfordert. In der häufig vorkommenden Gesamtschuldnerkonstellation von Mutter- und Tochtergesellschaft liegt es nahe, sich an die meist umsatzstärkere Muttergesellschaft zu halten. Für diese besteht nun die Möglichkeit, Rückgriff bei den tatbeteiligten Tochtergesellschaften zu nehmen. Diese sind über ihre Mitarbeiter häufig unmittelbar am Kartell beteiligt, während die Haftung der Muttergesellschaft oftmals darauf beruht, dass sie sämtliche Anteile der Tochtergesellschaft hält. Außerdem versprechen sich die Kartellbehörden eine größere Abschreckungs- und Sanktionswirkung von der Inanspruchnahme der Konzernmutter.

Gesamtschuldnerische Haftung kommt auch bei Schwestergesellschaften oder durch die gleichen Gesellschafter verbundene Nebengesellschaften ohne gemeinsame Muttergesellschaft in Betracht. Der Erwerber einer Tochtergesellschaft kann für deren fortdauernde Zuwiderhandlung nach dem Erwerb verantwortlich gemacht werden, während die frühere Muttergesellschaft für die Vergangenheit haftet. So können sowohl der veräußernde als auch der erwerbende Konzern jeweils gesamtschuldnerisch mit der Tochtergesellschaft für Kartellverstöße vor bzw. nach der Veräußerung haften.

Zwar lässt sich eine Geldbuße bei Gesamtschuldnern im Innenverhältnis nun auf mehrere verteilen, an der Zahlungspflicht solch drakonischer Geldbußen ändert das Urteil nichts. Und ist ein Unternehmen mittlerweile insolvent, geht der zahlende Gesamtschuldner leer aus. Gut funktionierende Compliance-Strukturen können kartellrechtswidriges Verhalten der Mitarbeiter verhindern. Kommt es dennoch zu einem Verstoß, ermöglichen sie wenigstens eine schnelle Aufklärung und ggf. eine Minderung oder den Verzicht auf ein Bußgeld. Dies ist besonders für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder von Bedeutung, denn sie können nicht nur selbst mit einer Geldbuße belegt, sondern auch von den Unternehmen aufgrund ihres Organisationsverschuldens persönlich in Regress genommen werden.

Dr. Barbara Mayer
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

Stephanie von Riegen

 

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