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Warenkreditversicherung: „Anrechnungsklausel" vom OLG Hamburg zugunsten der Versicherungsnehmer für unwirksam „erklärt"

Verträge über Warenkreditversicherungen enthalten üblicherweise eine sog. „Anrechnungsklausel". Sie besagt, dass  Zahlungen des Kunden des Versicherungsnehmers generell mit den ältesten offenen Forderungen verrechnet werden. Diese Klausel wurde bislang überwiegend für wirksam gehalten. Erstmalig hat nunmehr mit dem OLG Hamburg (Urt. v. 16.10.2012, Az. 9 U 48/12) ein Obergericht diese „Anrechnungsklausel" wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers für unwirksam „erklärt".


Von der - in den meisten Warenkreditversicherungsverträgen enthaltenen - „Anrechnungsklausel" wird im Rahmen der Berechnung der Höhe der Versicherungsleistung unterstellt, dass - unabhängig von einer abweichenden Tilgungsbestimmung - Zahlungen des Kunden des Versicherungsnehmers immer mit den ältesten offenen Forderungen verrechnet werden. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, dass sämtliche Zahlungen des Kunden nach Aufhebung des Versicherungsschutzes zu einer Reduzierung der versicherten Forderungen und somit zu einer Verringerung des „Risikos" des Versicherers führen.

Auch in dem vom OLG Hamburg entschiedenen Fall war eine solche „Anrechnungsklausel" im Warenkreditversicherungsvertrag des Versicherungsnehmers enthalten. Nachdem der Kreditversicherungsschutz für einen Kunden des Versicherungsnehmers vom Versicherer aufgehoben wurde, belieferte der Versicherungsnehmer diesen jedoch weiter mit Waren im Wert von ca. 11.500,00 EUR. Der Kunde bezahlte diese Waren mit der ausdrücklichen Tilgungsbestimmung, dass diese Zahlung auf die nach Aufhebung des Versicherungsschutzes begründeten, nicht (mehr) unter dem Versicherungsvertrag versicherten Forderungen erfolgen sollte. Nachdem der Versicherungsfall eintrat, rechnete der Versicherer den vorgenannten Betrag auf die ältesten versicherten und nicht auf die nach Aufhebung des Versicherungsschutzes entstandenen Forderungen an. Dies führte nach der „Anrechnungsklausel" zu einer Reduzierung der versicherten Forderungen um ca. 11.500,00 EUR und aus diesem Grund kürzte der Versicherer seine Versicherungsleistung um diesen Betrag.

Hiermit war der Versicherungsnehmer nicht einverstanden und verklagte den Kreditversicherer. In seinem Urteil vertritt das OLG Hamburg die Ansicht, dass die streitgegenständliche Anrechnungsklausel „einseitig die Interessen des Versicherers" bevorzugen würde und damit unwirksam sei. Das Gericht geht in seiner Entscheidung davon aus, dass eine doppelte Benachteiligung des Versicherungsnehmers durch diese Klausel gegeben sei: zum einen werde der Versicherungsnehmer bei dem sog. „Nachrückung" von Forderungen in den Versicherungsschutz benachteiligt; zum anderen sei die gegenwärtige „Anrechnungsklausel" bei einer Vereinbarung von Bargeschäften im Sinne von § 142 InsO zwischen dem Versicherungsnehmer und dessen Kunden unangemessen. Die Entscheidung des OLG Hamburg ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Fazit: Wenn sich ein Kreditversicherer bei Eintritt des Versicherungsfalles auf eine „Anrechnungsklausel" beruft und daher eine Versicherungsleistung ganz oder teilweise ablehnt, sollte diese (teilweise) Ablehnung zunächst u.a. mit Hinweis auf die vorgenannte Entscheidung nicht akzeptiert werden. Ggf. kann hierdurch bereits außergerichtlich eine weitere Zahlung des Versicherers erreicht werden.

Dr. Michael Fortmann, LL.M.

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