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Shanghais neue Freihandelszone: Hype oder Meilenstein?

China öffnet sich weiter: Ende September wurde eine neue Freihandelszone in Shanghai eröffnet, die ausländischen Unternehmen in einer Reihe von Geschäftsfeldern die Chance bieten soll, sich auf unkomplizierten Wegen auf dem chinesischen Markt zu etablieren. Es locken Steuerermäßigungen; die Genehmigungsprozesse sollen wesentlich vereinfacht und beschleunigt sein; es gibt Freiheiten, die Unternehmen ansonsten in China verwehrt sind, z.B. ein unzensiertes Internet. Was ist Realität und was Zukunft? Für welche Unternehmen lohnt sich der Schritt in die Freihandelszone?

Shanghais neue Freihandelszone (FHZ), die am 29. September 2013 offiziell eröffnet wurde und insgesamt 28,78 km² groß ist, besteht aus vier bereits existierenden Freihandelszonen, nämlich der Waigaoqiao Freihandelszone, dem Waigaoqiao Logistik-Freihandelspark, dem Yangshang Freihandelshafen und der Pudong Flughafen Freihandelszone, die alle im Osten des Shanghaier Stadtbezirks Pudong angesiedelt sind. Pudongs Bedeutung als Finanzzentrum Chinas hat bei der Schaffung der neuen FHZ nicht nur dazu geführt, dass dort nunmehr zum ersten Mal seit der Öffnung Chinas freier Handel und freies Investment möglich ist, sondern auch dazu, dass man dort eine Liberalisierung des Finanzmarktes in Erwägung zieht, insbesondere im Hinblick auf Testprogramme, die auf die freie Konvertierbarkeit des chinesischen Renminbi abzielen.

Gemäß dem „Generalplan für die China (Shanghai) Freihandelszone" (Generalplan), veröffentlicht zwei Tage vor der offiziellen Einweihung durch die chinesische Regierung, wird die FHZ einfachere Investmentmöglichkeiten bieten. Es ist zudem beabsichtigt, eine weitere Öffnung von insgesamt 18 Servicebereichen zu ermöglichen, u.a. der Finanzwirtschaft (bspw. die Gründung einer chinesisch-ausländischen Joint Venture Bank mit Offshore-Finanzgeschäftsfeldern), Handel und Gewerbe (erstmalige Erlaubnis für ausländische Firmen, sich in bestimmten Bereichen der Telekommunikationsbranche zu betätigen), Investment Management (Gründung von Investment-Gesellschaften durch ausländische Firmen) oder auch hinsichtlich der Gründung von Kreditsicherungs- oder Wirtschaftsauskunftsfirmen unter ausländischer Leitung. Die FHZ ist auch als Zollfreizone ausgerichtet. Somit lohnt sich eine Ansiedlung in der FHZ insbesondere für Logistik- und Frachtgutunternehmen. Entsprechende Verfahren erlauben das zollfreie Lagern von Gütern und Rohstoffen, die dann wiederum im Bereich des Handels, als Sachkredite oder zur Weiterproduktion und anschließendem Export verwendet werden können.

Der Generalplan erlaubt jedoch nur einen groben Einblick dahingehend, wie sich die neue FHZ entwickeln soll. Was feststeht ist, dass die FHZ einem sogenannten „Negativlisten-Schema" folgen wird. Dies bedeutet, dass jedes Geschäftsfeld, das nicht in der Negativliste erwähnt wird, ausdrücklich für ausländische Investoren zugänglich ist. Komplizierte Genehmigungsverfahren fallen für solche Unternehmungen weg. Stattdessen muss das Unternehmen, das gegründet werden soll, nur noch ein Online-Registrierungsverfahren durchlaufen und vor Ort in der FHZ registriert werden.

Eine Negativliste wurde im frühen Oktober 2013 durch die Shanghaier Stadtverwaltung veröffentlicht. Sie enthält 16 Dienstleistungsbereiche, die auch weiterhin vor Geschäftsaufnahme der Zustimmung der chinesischen Behörden bedürfen, beispielsweise die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser, im Bausektor, bei IT-Serviceleistungen und im Finanzbereich. Weitere Regularien sind noch nicht veröffentlicht worden. Es wird erwartet, dass diese in naher Zukunft auch nicht verabschiedet werden. Chinas Staatsrat hat bereits angekündigt, dass mit weiteren Reformen erst innerhalb der nächsten drei Jahre zu rechnen sei. Hierbei dürfte die wohl größte Herausforderung darstellen, den Geldfluss zwischen der FHZ und dem Rest Chins zu kontrollieren. Experten rechnen damit, dass weitere Informationen im November diesen Jahres erteilt werden, wenn die Kommunistische Partei Chinas tagen wird. Dies stellt jedoch nur eine Vermutung dar. Andere regierungsnahe Quellen erwarten weitere Regularien hinsichtlich der FHZ nicht innerhalb der nächsten Jahre.

Um ausländische Investoren trotzdem bereits jetzt anzulocken, sind seitens des Staatsrats Steuervergünstigungen für ausländische Unternehmen in der FHZ geschaffen worden. Genaue Zahlen fehlen noch, doch im Hinblick auf nahegelegene Steueroasen wie Hong Kong oder Singapur rechnen Steuerexperten mit einem Steuersatz von 15% auf erwirtschaftete Einnahmen von Firmen in der FHZ, anstatt der in China sonst üblichen 25% (zum Vergleich: die Steuerrate in Hong Kong beträgt 16,5%, die in Singapur 17%). Der Generalplan sieht auch einen reduzierten Steuersatz auf Importe vor, die die Logistikfirmen oder Unternehmen des produzierenden Gewerbes in Anspruch nehmen können, oder auch Ratenzahlungen auf fällige Steuern aufgrund der Erhöhungen von Bilanz-Aktiva eines Unternehmens. Auch für ausländische Firmen, die bereits in China ansässig sind, lohnt es sich folglich darüber nachzudenken, sich in der neuen Freihandelszone niederzulassen. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass dies aus steuerrechtlichen Gründen in Form einer weiteren eigenständigen Niederlassung erfolgen sollte, da Filialen in China steuerrechtlich mit der Hauptgeschäftsstelle verbunden sind und daher nicht in den Genuss der ermäßigten Steuersätze kommen.

Die Frage, ob die neue FHZ tatsächlich ein ernstzunehmender Konkurrent für die bereits etablierten Geschäftszentren Asiens wird, bleibt daher derzeit weiter offen. Allerdings steht China zurzeit auch unter der Herausforderung, seine Wirtschaft wieder zum Wachstum zu bringen. Denn diese kam innerhalb der letzten beiden Jahre zu einem gleichbleibenden BIP von sieben bis acht Prozent jährlich. Daher wäre es durchaus denkbar, dass Reformen, die sich innerhalb der neuen FHZ als erfolgreich herausstellen, flächendeckend eingeführt werden. Doch kann sich die geografische Einschränkung der FHZ ebenso gut auch als Hindernis herausstellen: Nicht alles, was innerhalb einer Test-Zone erfolgreich ist, ist auch für ein ganzes Land praktikabel. Wie und in welchem Ausmaß die Erfahrungen, die die chinesische Regierung innerhalb der FHZ machen wird, zu Gesetzesänderungen im restlichen China führen werden, bleibt daher abzuwarten.

Stefan Peters, Miriam Rech, Rechtsanwälte, EunaCon, Shanghai

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