Insolvenz des Vertragspartners - Lösungsklauseln neu gestalten

Ende letzten Jahres hat der Bundesgerichtshof Vertragsklauseln für unwirksam erklärt, die es einem Lieferanten im Fall der Insolvenz seines Kunden ermöglichen, sich vom Vertrag zu lösen (BGH, Urteil vom 15.11.2012, IX ZR 169/11). Wir haben hierüber in unserem Newsletter 5/2013 berichtet. Gegenstand der Entscheidung war eine Klausel in einem Energieliefervertrag. Danach war eine automatische Vertragsbeendigung vorgesehen, sollte der Kunde einen Insolvenzantrag stellen. Dies schränkt den Insolvenzverwalter unzulässig in seinem gesetzlichen Wahlrecht zwischen Vertragserfüllung und Nichterfüllung ein und ist, so der BGH, daher unwirksam.


In der Praxis werden nach dieser Entscheidung viele Formulierungen in AGB und Standardverträgen der Überarbeitung bedürfen. Denn nicht nur Energieversorger sind von dem Urteil des BGH betroffen. Der BGH hat seine Entscheidung nämlich auch auf andere Verträge bezogen, die die fortlaufende Lieferung von Waren zum Gegenstand haben. Jeder Lieferant von Wirtschaftsgütern wird danach in Zukunft seine AGB und Verträge an die neue Rechtsprechung anpassen müssen um sicherzustellen, dass in Krise und Insolvenz des Kunden eine Vertragsbeendigung möglich ist.

Kann der Vertrag nicht wirksam beendet werden, so bleibt es in der Krise des Kunden bei der vertraglichen Lieferverpflichtung und den gesetzlichen Regelungen. Der Lieferant kommt ggf. in die unangenehme Position, sich gegen Lieferansprüche verteidigen zu müssen. Schlimmstenfalls muss er sehenden Auges an einen Kunden liefern, der bereits zahlungsunfähig ist. Hier helfen dann nur die Unsicherheitsrede des § 321 BGB, d.h. das Verlangen von Vorkasse, das zur Vermeidung von Anfechtungsrisiken aber mit der Einhaltung der Voraussetzungen des Bargeschäfts gemäß § 142 InsO kombiniert werden muss. Ansonsten sind nicht nur etwaige Zahlungen auf Altforderungen, sondern auch die Vorauszahlungen von einem späteren Insolvenzverwalter anfechtbar. Im Hinblick auf anderslautende vertragliche Regelungen ist die Durchsetzung von Vorkasse und Bargeschäft aber gar nicht so einfach.

Diese Risiken können durch eine an die neue Rechtsprechung angepasste Gestaltung von Verträgen und AGB durchaus verringert werden. Entscheidendes Kriterium bei der Neugestaltung der Lösungsklauseln ist die Anknüpfung an Vorgänge, die keinen Bezug zum Insolvenzverfahren haben (z.B. Zahlungsverzug oder verschlechterte Vermögensverhältnisse des Kunden). Nur wenn die Lösungsklausel weder an einen Insolvenzgrund noch an die Durchführung des Insolvenzverfahrens anknüpft, beeinträchtigt sie nach der Rechtsprechung des BGH den Insolvenzverwalter nicht in seinem gesetzlichen Erfüllungswahlrecht. Unternehmen, die mit ihren Kunden in langfristigen Lieferbeziehungen stehen, sollten ihre Lösungsklauseln an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anpassen, um zukünftig für Kundeninsolvenzen bestmöglich gewappnet zu sein.

Vorteil der Kündigungsmöglichkeit langfristiger Lieferverträge ist, dass man den Kunden - je nach Situation - entweder gar nicht mehr, oder nur noch im Einzelfall zu bestimmten Konditionen beliefert. Ein Konflikt zwischen Vertrag und notwendiger Vorkasse/Bargeschäft besteht dann nicht mehr, wodurch Anfechtungsrisiken weiter verringert werden.

Voraussetzung in jedem Fall ist die Überwachung der Wirtschafts- und Finanzsituation von Kunden. Hierbei helfen neben spezialisierten Unternehmen inzwischen auch die öffentlich zugänglichen Register wie insolvenzbekanntmachungen.de etc.

Dr. Stefan Lammel, Ingo Reinke

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