Das Stichwort „Compliance" ist in der Wirtschaftspresse fast täglich präsent. Und zunehmend hält es auch Einzug in Gerichtsentscheidungen. Dabei geht es häufig nicht um Strafrecht, sondern um die persönliche Haftung von Geschäftsführern und Vorständen oder - wie im vorliegenden Fall - um die Frage, ob Bestechung im geschäftlichen Verkehr ein Grund zur ordentlichen, ggf. auch außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sein kann. Dazu gibt es eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts.

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich unlängst mit einem Fall zu beschäftigen, in dem der Leiter einer Außenstelle sich von der zuständigen Mitarbeiterin auf Eigenbelege Bargeld in Höhe von insgesamt 23.700,00 EUR hatte auszahlen lassen. Die Eigenbelege dokumentierten Aufwendungen zur „Auftragsunterstützung" an insgesamt 29 Mitarbeiter des von der Außenstelle betreuten Kunden. Die Belege waren von dem Mitarbeiter in die Kasse gelegt und im Kassenbuch als „Auftragsunterstützung" vermerkt worden. Der Leiter der Niederlassung, der die Außenstelle zugeordnet war, hatte die Kassenbücher monatlich geprüft und trotz der Existenz von Richtlinien im Unternehmen zu „Zuwendung an Kundenmitarbeiter" und „Antikorruption" nicht beanstandet.

Im Rahmen einer Untersuchung der Revision des Arbeitgeberunternehmens räumte der Leiter der Außenstelle ein, er habe in Wirklichkeit nur vier verschiedenen Mitarbeitern des Kunden Zuwendungen - teils in Geld, teils in Sachwerten - zukommen lassen. Die Arbeitgeberin hat sodann das Arbeitsverhältnis wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr, Veruntreuung, Unterschlagung, jedenfalls wegen grober Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten außerordentlichen, hilfsweise ordentlich gekündigt.

Die Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters war erfolgreich; das Arbeitsverhältnis wurde allerdings auf Antrag der Arbeitgeberin gegen Zahlung einer Sozialabfindung in Höhe von etwas mehr als 50.000,00 EUR zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aufgelöst. Die widerklagend geltend gemachten Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberseite wurden in allen Instanzen abgewiesen.

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass die Begehung und auch der dringende Tatverdacht einer pflichtwidrig begangenen Bestechungshandlung die - ggf. außerordentliche - Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könne. Im konkreten Fall hätten diese Voraussetzungen jedoch nicht vorgelegen, weil folgende wesentlichen Einwendungen des Klägers von der Beklagten nicht widerlegt worden seien:

  • Er habe die bereits früher geübte Praxis der „Auftragsunterstützung" auf Anweisung des Leiters seines Geschäftsbereichs übernommen und fortgeführt.
  • Er habe das Geld nach Weisung des Vorgesetzten aus der Kasse entnehmen und dazu Eigenbelege erstellen sollen.
  • Das Geld sei dafür bestimmt gewesen, Mitarbeitern den Kunden, die für die Vergabe von Aufträgen und deren Abnahme zuständig seien, Aufmerksamkeiten zukommen zu lassen. Im Rahmen dieser Zwecksetzung habe er das Geld verwenden dürfen, wie er wolle. Eine Verpflichtung zur Rechnungslegung habe nicht bestanden.

Da die beklagte Arbeitgeberin diese rechtfertigenden bzw. entschuldigenden Einlassungen nicht habe widerlegen können, reichte auch die Existenz von Firmenrichtlinien über „Zuwendung an Kundenmitarbeiter" und „Antikorruption" nicht aus, um einen schuldhafte Pflichtverletzung des klagenden Arbeitnehmers zu belegen. Aus denselben Gründen bestehe auch kein Schadensersatzanspruch der Arbeitgeberin gegen den Arbeitnehmer.

Hinweise:

  • Bestechung im geschäftlichen Verkehr kann ein Grund zur ordentlichen, ggf. auch außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnissees sein.
  • Das Bundesarbeitsgericht hält an seiner gefestigten Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzrechtsstreit fest. Der Arbeitgeber hat die die Kündigung begründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen. Macht der Arbeitnehmer rechtfertigende oder entschuldigende Einwände geltend, muss er dies nach der Sachverhaltsdarstellung so präzise wie möglich tun. Es verbleibt dann in der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers, diese substantiiert vorgetragenen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe zu widerlegen.
  • Die Aufstellung von Firmenrichtlinien zur „Antikorruption" ist richtig und wichtig, alleine jedoch nicht ausreichend. Verhalten sich Führungskräfte entgegen der Bestimmungen solcher Richtlinien, kann dies dazu führen, dass nachgeordnete Arbeitnehmer deswegen aus vertretbaren Gründen annehmen dürfen, sie handeln nicht pflichtwidrig. Dann fehlt es sowohl für Kündigungen des Arbeitsverhältnisses als auch für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen an einer schuldhaften Pflichtverletzung.

Dr. Christoph Fingerle

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