Die China International Economic Trade and Arbitration Commission (CIETAC) ist eine der weltgrößten Schiedsorganisationen. Bei Verträgen mit chinesischen Vertragspartnern wird die CIETAC von chinesischen Vertragspartnern sehr häufig zur Streitentscheidung vorgeschlagen. Die Musterschiedsklausel der CIETAC findet sich in vielen deutsch-chinesischen Handelsverträgen. Und das war bisher auch kein Problem.
Seit einigen Monaten brodelt es allerdings sehr heftig bei der CIETAC, und das hat wiederum erhebliche Auswirkungen auch für ausländische Vertragspartner. Der Hauptsitz der CIETAC ist in Peking. Daneben verfügt die CIETAC über Niederlassungen u.a. in Shanghai und in Shenzhen (Provinz Kanton). Und zwischen Peking einerseits und Shanghai und Shenzhen andererseits ist jetzt ein heftiger Kampf ausgebrochen: Die CIETAC Peking hat die Berechtigung der ehemaligen Sub-Commissions in Shanghai und Shenzhen, Schiedsverfahren nach den CIETAC Schiedsregeln anzunehmen und zu verhandeln, für unwirksam erklärt. Dem vorausgegangen war die Entscheidung der CIETAC Shanghai, sich von der CIETAC Peking loszulösen, eigene Schiedsregeln zu erlassen und ein eigenes Schiedsrichterpanel einzurichten.
Grund dafür sind wiederum die Änderungen der CIETAC-Schiedsregeln, die zum 1. Mai 2012 in Kraft getreten sind. Die CIETAC-Shanghai weigert sich, diese Regeln anzuwenden. Der Streit entzündet sich u.a. an der nach den Rules 2012 gegebenen Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen. Dies ist nach chinesischem Zivilprozessrecht eigentlich nur über ordentliche Gerichte möglich. Daneben hat Shanghai verschiedene formale Einwände gegen die Änderung erhoben.
Auswirkungen auf Vertragsgestaltung und -durchsetzung bei Streitigkeiten mit Auslandsbezug
Der Streit zwischen den CIETAC-Kommissionen hat weitreichende Folgen für die Vertragsgestaltung und für die Durchsetzung von Schiedssprüchen in der Volksrepublik China („VRC"): Bis der Streit und die mit ihm verbundenen Rechtsfragen geklärt sind, sind CIETAC-Schiedsklauseln nicht zu empfehlen. Denn es ist fraglich, ob die von CIETAC Shanghai oder CIETAC Shenzhen gefällten Schiedssprüche in ganz China vollstreckt werden können oder nicht.
Nach dem Schiedsgerichtsgesetz der VRC, Artikel 66, ist die Internationale Handelskammer der VRC („IHK-VRC") für die Organisation und Errichtung von Schiedskommissionen mit Auslandsbezug zuständig. Diese Zuständigkeit gilt nach Artikel 73 auch für die Verabschiedung von Schiedsregeln mit Auslandsbezug. Die CIETAC Schiedsregeln in der Fassung vom 1. Mai 2012, die von der IHK-VRC verabschiedet wurden, sehen vor, dass es sich bei CIETAC Shanghai und CIETAC Shenzhen um Sub-Commissions handelt, die mit Authorisierung von CIETAC mit Sitz in Peking handeln.
Dementsprechend bestreitet CIETAC Peking die Legitimität der Unabhängigkeitserklärung von CIETAC Shanghai und CIETAC Shenzhen bzw. der von CIETAC Shanghai verabschiedeten Schiedsregeln. Folglich ist nunmehr die Durchsetzbarkeit von CIETAC Shanghai oder CIETAC Shenzhen gefällten Schiedssprüchen mit Auslandsbezug durch Volksgerichte in ganz China rechtlich zweifelhaft.
Andererseits verweisen CIETAC Shanghai oder CIETAC Shenzhen auf die Unterstützung durch die jeweiligen Stadtregierungen. Ob dies eine Durchsetzung von Schiedsurteilen zumindest in den beiden Städten gewährleistet, ist noch unklar.
Wurde im Vertrag bereits auf CIETAC als zuständige Schiedskommission verwiesen, empfiehlt sich in jedem Fall vor Entscheidung über die konkrete Schiedskommission, bei der das Schiedsverfahren eingeleitet werden soll, die eventuell erforderliche Durchsetzbarkeit vor dem zuständigen Volksgericht zu evaluieren. Für Vertragsstreitigkeiten mit Auslandsbezug wird diese unklare Rechtslage in Zukunft zur vertraglichen Vereinbarung von Schiedsverfahren im Ausland, beispielsweise in Singapur, oder auch in Hongkong, und damit zu einer Schwächung von CIETAC insgesamt führen.
Auswirkungen auf Vertragsgestaltung und -durchsetzung bei rein inländischen Streitigkeiten
Neben Streitigkeiten mit Auslandsbezug ist CIETAC auch für rein inländische (bspw. zwischen zwei chinesischen Unternehmen; umfasst auch ausländisch investierte chinesische Unternehmen) Streitigkeiten zuständig. Nach dem Schiedsgerichtsgesetz der VRC können die lokalen Regierungen selbst Schiedskommission (Artikel 10) und unter bestimmten Umständen auch vorläufige Schiedsregeln (Artikel 75) aufstellen. Ob Volksgerichte in der VRC diese Unterscheidung bei der Prüfung der Wirksamkeit eines Schiedsurteils im Rahmen der Vollstreckung vornehmen werden, bleibt abzuwarten.
Anders als bei Streitigkeiten mit Auslandsbezug können rein inländische Streitigkeiten nicht vor einem ausländischen oder hongkonger Schiedsgericht entschieden werden. Da der Ausgang von Volksgerichtsverfahren auch weiterhin unberechenbar bleibt, sind rein inländische Schiedsverfahren vor CIETAC in der Praxis meist alternativlos. Deshalb empfiehlt sich die Vereinbarung von CIETAC Peking als zuständiger Schiedskommission, gegebenenfalls mit Shenzhen oder Shanghai als Ort der mündlichen Verhandlung; alle anderen Schiedsklauseln bergen ein gesteigertes Unwirksamkeitsrisiko.
Stefan Peters (Burkardt, Peters & Partner/EunaCon Group, Shanghai), Dr. Barbara Mayer
18. September 2012