Mit Urteil vom 22.11.2011 hat der EuGH entschieden, dass der Jahresurlaubsanspruch eines langfristig arbeitsunfähigen Arbeitnehmers zeitlich beschränkt werden darf (EuGH, Urteil vom 22.11.2011 Az: C-214/10 und LAG Baden-Württemberg vom 21.12.2011, Az: 10 Sa 19/11). Ein vereinbarter Übertragungszeitraum von 15 Monaten ist hiernach grundsätzlich zulässig.

Nach der vorangegangenen Rechtsprechung des BAG verfiel der Urlaubsanspruch entsprechend der gesetzlichen Regelung in Deutschland, wenn der Arbeitnehmer diesen bis drei Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres nicht genommen hatte. Der EuGH stellte bereits im Jahr 2009 in der grundlegenden Schultz-Hoff-Entscheidung fest, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub weder zum Ende des Kalenderjahres noch zum Ende des Übertragungszeitraums verfällt, wenn der Arbeitnehmer ihn aufgrund einer Erkrankung nicht in Anspruch nehmen konnte. Nicht entschieden war damit aber die Frage, wie lange, und damit evtl. für wie viele Jahre, bei einer lang andauernden Erkrankung Urlaub angesammelt werden konnte.

Der EuGH hatte aufgrund einer Vorlage des LAG Hamm Gelegenheit, sich mit dieser Frage auseinander zu setzen: Der Kläger war jahrelang arbeitsunfähig bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnis erkrankt. Nach der Beendigung verlangte er Abgeltung von Urlaubsansprüchen für drei Jahre, die er wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr nehmen konnte. Eine Abgeltung des Urlaubs kam aufgrund des in diesem Fall anwendbaren Tarifvertrages nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht, wobei für den Fall der Krankheit eine Übertragungsfrist von 15 Monaten nach Ende des Bezugszeitraums vorgesehen war. Der EuGH hat am 22.11.2011 entschieden, dass ein über mehrere Jahre arbeitsunfähiger Arbeitnehmer Urlaubsansprüche nicht unbegrenzt ansammeln kann. Dies widerspreche dem Zweck des Jahresurlaubs, der eine doppelte Funktion habe: Erholung und Freizeit. Jedenfalls die positive Wirkung der Erholung entfalle, wenn die Übertragung des Anspruchs eine gewisse zeitliche Grenze überschreite. Allerdings müsse der erforderliche Übertragungszeitraum die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt werde, deutlich überschreiten. Ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten werde dabei dem Erholungszweck gerecht.

Praxishinweis

Das Urteil wurde mit Spannung erwartet, da sehr viele Klagen derzeit bei den Arbeitsgerichten anhängig sind. Die wichtige Folgefrage, ob die aus dem Unionsrecht abgeleitete Frist von 15 Monaten auch dann gilt, wenn kein Tarifvertrag zur Anwendung gelangt, der eine unionsrechtlich nicht zu beanstandende Frist vorsieht, hat das LAG Baden-Württemberg in einer ersten Entscheidung hierzu am 21.12.2011 beantwortet. Die Entscheidungsgründe liegen zwar noch nicht vor, nach der Pressemitteilung geht das LAG aber davon aus, dass die Ausweitung der nationalen Regelung in § 7 Abs. 3 BUrlG, die einen Verfall bereits drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres vorsieht, nur soweit erforderlich ist, wie das Unionsrecht dies gebietet. Hiernach ist der neue Grenzwert von 15 Monaten auch in Deutschland zu beachten. Abzuwarten bleibt aber, ob das BAG dem folgt.

Dr. Stefan Daub und Stephanie Krüger

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