Ein Unternehmer, der im Fernabsatz (also über Internet, E-Mail, Telefon oder Fax) Waren an Verbraucher aus dem europäischen Ausland verkauft, muss schon bisher damit rechnen, von diesen auch im Ausland verklagt zu werden. Das gilt nach einem neuen Urteil des Europäischen Gerichtshofs auch außerhalb des Fernabsatzes. Wer also seine Waren in Freiburg an Franzosen oder in Aachen an Niederländer verkauft, sollte sich darauf einstellen.
Ein Gerichtsstand am Wohnort des Verbrauchers besteht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs immer dann, wenn der Unternehmer sein Angebot ausdrücklich an ausländische Verbraucher richtet. Wann das der Fall ist, hat der Europäische Gerichtshof in der Vergangenheit mehrfach thematisiert. Demnach spricht für ein solches Angebot, wenn die Produktbeschreibung auch in einer anderen Sprache (z.B. englisch, französisch, italienisch oder spanisch) erfolgt, wenn die Vertragstexte (AGB) in mehreren Sprachen vorliegen, oder aber auch wenn die angegebene Telefonnummer die internationale Vorwahl enthält.
Bislang war man ganz überwiegend davon ausgegangen, dass dies alles nur für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz (Internet, E-Mail, Telefon, Fax) gilt. Dem hat nun aber der EuGH mit einer Entscheidung vom 06.09.2012 (Az.: C-190/11) eine eindeutige Absage erteilt. Nach Ansicht der europäischen Richter lässt es sich der maßgeblichen Vorschrift in der europäischen Richtlinie nicht entnehmen, dass diese nur für Verträge gilt, die im Fernabsatz abgeschlossen werden. Vielmehr sind nach ihrer Ansicht die Gerichte am ausländischen Heimatort des Verbrauchers immer dann zuständig, wenn das Angebot des Unternehmers - unabhängig davon, wie und wo der Vertrag geschlossen wird - ausdrücklich auf diesen anderen Staat gerichtet ist.
Für Unternehmer bedeutet dies natürlich ein erhebliches Risiko. Unabhängig davon, wo und wie ein Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher geschlossen wurde, werden sich die Gerichte in Zukunft nur noch eine Frage stellen müssen, um das zuständige Gericht zu bestimmen: War das Geschäft des Unternehmers auch auf einen anderen Mitgliedsstaat ausgerichtet? Wann genau das der Fall ist, musste der EuGH nicht entscheiden. Es wird daher abzuwarten bleiben, ob die Gerichte bei den oben genannten Kriterien bleiben werden. Eine Änderung dieser Rechtsprechung wäre allerdings eine Überraschung.
Die Zuständigkeitsregelungen können in Verbraucherverträgen kaum wirksam abbedungen werden. Dies bedeutet vor allem für Unternehmer in Grenzregionen, die sich kundenfreundlich zeigen wollen (und Angebote in mehreren Sprachen auszeichnen), ein erhebliches Problem. Sie müssen in Zukunft damit rechnen, Rechtsstreitigkeiten auch im Ausland führen zu müssen. Dabei sollte ihnen auch bewusst sein, dass Urteile aus dem europäischen Ausland in Deutschland ohne weitere Prüfung vollstreckt werden können.
Dr. Frank Jungfleisch, Sebastian Hoegl
27. September 2012