Der CIETAC-Schiedsgerichtshof mit Sitz in Peking hat sich in den letzten Jahren zu einer modernen und international anerkannten Schiedsinstitution entwickelt. Am 1. Mai 2012 tritt eine Neufassung der CIETAC-Schiedsregeln in Kraft.

Mit beständig zunehmendem deutsch-chinesischem Wirtschaftsverkehr werden künftig auch mehr Rechtsstreitigkeiten zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen entstehen, so dass sich vermehrt die Frage stellt, wie solche Streitigkeiten am besten beizulegen sind. Eine Einigung auf einen deutschen oder chinesischen Gerichtsstand ist in den meisten Fällen nicht möglich, und zwar schon deshalb nicht, weil die Anerkennung von Urteilen staatlicher deutscher Gerichte in China und von Urteilen staatlicher chinesischer Gerichte in Deutschland mit zahlreichen rechtlichen Unwägbarkeiten und praktischen Schwierigkeiten verbunden ist.. Urteile von Schiedsgerichten sind demgegenüber dank der  "New York Convention" (UN Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards von 1958) in über 140 Staaten (und auch in China und Deutschland) anerkannt und vollstreckbar. Daher vereinbaren die Vertragsparteien im deutsch-chinesischen Geschäftsverkehr in der Regel ein Schiedsverfahren als Gerichtsstand für etwaige Streitigkeiten. Neben den Schiedsregeln führender internationaler Schiedsinstitutionen wie z.B. dem Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer (ICC) und der „Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V." (DIS) steht den Parteien hierbei auch die Schiedsgerichtsbarkeit der China International and Economic Trade Arbitration Commission (CIETAC) mit Sitz in Peking zur Verfügung. Schiedsinstitutionen wie die  ICC oder die CIETAC organisieren professionell Schiedsverfahren und leisten insbesondere bei Verfahrensfragen administrative Unterstützung (z.B. Anforderung der Kostenvorschüsse)  und ermöglichen so ein zügiges und geordnetes Verfahren.

Die CIETAC Arbitration Rules

Die CIETAC Arbitration Rules werden in der Praxis vor allem für Schiedsverfahren vereinbart, an denen (auch) ein chinesisches Unternehmen beteiligt ist (was aber nicht zwingend der Fall sein muss). Die Schiedsordnung wurde seit Ende der 1990er Jahre mehrmals reformiert, um sie an die Bedürfnisse der internationalen Schiedspraxis anzupassen. Mit Erfolg: Die CIETAC stellt mittlerweile eine moderne und international anerkannte Schiedsinstitution dar, die jährlich zwischen 600 und 800 Schiedsverfahren administriert. Jetzt hat die CIETAC die Schiedsregeln erneut modernisiert. Die reformierte Fassung wird am 1. Mai 2012 in Kraft treten.

Bereits die „alte" Fassung der CIETAC Arbitration Rules enthält u.a. zwei Regelungen, die es auch nicht-chinesischen Unternehmen erleichtern, diese Schiedsordnung zu akzeptieren:

Die Parteien sind frei in der Wahl des Ortes, an dem das Schiedsverfahren stattfinden soll (Art. 7 der  CIETAC Arbitration Rules).

Und: Nach Art. 24 (1) der CIETAC Arbitration Rules sollen die Parteien zwar in erster Linie solche Schiedsrichter benennen, die die CIETAC ausgewählt und in einem „Panel of Arbitrators" auf über 100 Seiten aufgelistet hat. Dieses „Panel of Arbitrators" enthält jedoch auch zahlreiche nicht-chinesische (auch deutsche) Schiedsrichter, die als Kandidaten für das Schiedsrichteramt in Betracht kommen. Außerdem können die Parteien sich nach Art. 24 (2) der CIETAC Arbitration Rules auch darauf verständigen, dass sie Schiedsrichter bestellen, die nicht im CIETAC Panel of Arbitrators geführt werden, wobei dann allerdings derart bestellte Schiedsrichter im Einzelfall von dem Chairman der CIETAC bestätigt werden müssen. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass ein den CIETAC Arbitration Rules unterliegendes Schiedsgericht auch über Streitigkeiten entscheiden kann, auf die nicht chinesisches Recht, sondern z.B. deutsches Recht Anwendung findet.

Die CIETAC Arbitration Rules enthalten - ebenso wie die meisten anderen Schiedsordnungen - keine Vorschriften zur Geheimhaltung (anders zB die LCIA Rules - London Court of International Arbitration Rules). Es empfiehlt sich daher, (auch) bei Vereinbarung des CIETAC Schiedsverfahrens eine Regelung des Inhalts aufzunehmen, dass im Falle der Durchführung des Schiedsverfahrens dieses und die hierbei behandelten und offenbarten Sachverhalte streng vertraulich zu behandeln sind.

Wesentliche Neuerungen der CIETAC Arbitration Rules 2012

Mit der Neufassung wird der Ablauf eines CIETAC-Schiedsverfahrens weiter verbessert. Insbesondere werden die Befugnisse des Schiedsgerichts erweitert. So wird ein CIETAC-Schiedsgericht künftig in der Lage sein, in dringenden Fällen selbst einstweilige Rechtsschutzmaßnahmen wie etwa Beweissicherungsmaßnahmen anzuordnen. Bislang ist das Schiedsgericht nur befugt, entsprechende Anträge an das zuständige staatliche Gericht weiterzuleiten, das dann seinerseits die begehrten Maßnahmen erlassen kann. Aufgrund der erweiterten Kompetenzen nach der neuen Schiedsordnung 2012 kann das Schiedsgericht in Zukunft schnelleren und damit effektiveren Rechtsschutz bieten.

Eine wichtige Änderung stellt auch die Anhebung der Streitwertgrenze für die Durchführung des „Beschleunigten Verfahrens" (summary arbitration procedure) von 500.000 CNY auf 2.000.000 CNY dar. Damit können in Zukunft deutlich mehr Verfahren nach den Sonderregeln des Beschleunigten Verfahrens durchgeführt werden. Diese Schnellverfahren sind in der Regel wesentlich kürzer und kostengünstiger und daher insbesondere für mittelständische Unternehmen bedeutsam.

Insgesamt führt die jüngste Reform zu einer weiteren Modernisierung und Anpassung der CIETAC-Schiedsordnung an die Verfahrensstandards der internationalen Schiedspraxis. Die CIETAC wird damit ihre Position als führende chinesische Schiedsinstitution ausbauen können und damit mittelfristig auch den Schiedsort China stärken. Diese Entwicklung ist zu begrüßen. Denn deutschen Unternehmen steht damit neben den bekannteren Schiedsinstitutionen wie dem Schiedsgerichtshof der ICC ein weiteres attraktives Forum zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zur Verfügung. In vielen Fällen kann es sich anbieten, dem chinesischen Partner dessen Einverständnis mit der Geltung deutschen (materiellen) Rechts für den Vertrag damit „abzukaufen", dass für den Streitfall das „chinesische" CIETAC-Schiedsverfahren akzeptiert wird.

Gerhard Manz und Ben Steinbrück

Auszug aus den CIETAC Arbitration Rules

Article 7 Place of Arbitration

1. Where the parties have agreed on the place of arbitration, the parties' agreement shall prevail.
2. Where the parties have not agreed on the place of arbitration or their agreement is ambiguous, the place of arbitration shall be the domicile of CIETAC or its sub-commission/center administering the case. CIETAC may also determine the place of arbitration to be another location having regard to the circumstances of the case.
Article 24 Nomination or Appointment of Arbitrator
1. CIETAC establishes a Panel of Arbitrators which uniformly applies to itself and all its sub-commissions/centers. The parties shall nominate arbitrators from the Panel of Arbitrators provided by CIETAC.
2. Where the parties have agreed to nominate arbitrators from outside CIETAC's Panel of Arbitrators, an arbitrator so nominated by the parties or nominated according to the agreement of the parties may act as arbitrator subject to the confirmation by the Chairman of CIETAC in accordance with the law.

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