Befristete Arbeitsverträge dürfen auch dann wiederholt zum Zwecke der Vertretung verlängert werden, wenn ein wiederkehrender oder sogar ständiger Bedarf an Vertretungen besteht. Bei der Missbrauchskontrolle müssen aber alle Umstände des Einzelfalls einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Verträge berücksichtigt werden (EuGH 26.01.2012, Az.: C-586/10).

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war für ihren Arbeitgeber elf Jahre lang auf der Grundlage von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen tätig. Alle diese Verträge wurden zur Vertretung unbefristet eingestellter Angestellter geschlossen, die sich vorübergehend hatten beurlauben lassen, etwa im Rahmen der Elternzeit. Die Klägerin erhob Entfristungsklage vor dem Arbeitsgericht Köln.

Das BAG als Revisionsinstanz rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an und bat um Auslegung einer Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner EGB, UNICE und CEEP über befristete Arbeitsverträge, die durch die Richtlinie 1999/70/EG durchgeführt wird. Die Rahmenvereinbarung erachtet unbefristete Arbeitsverträge als die übliche Form der Beschäftigungsverhältnisse und verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, um Missbräuche durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden; etwa durch Festlegung „sachlicher Gründe". Gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG liegt ein solcher sachlicher Grund vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Das BAG wollte u.a. wissen, ob es gegen EU-Recht verstößt, eine Vertretung auch dann als sachlichen Grund anzunehmen, wenn ein ständiger Vertretungsbedarf gegeben ist, der auch durch die Einstellung eines Arbeitnehmers mit einem unbefristeten Vertrag gedeckt werden könnte.

Dies hat der EuGH verneint. Allein die Tatsache, dass es für den Arbeitgeber wegen der Zahl der Beschäftigten unvermeidbar ist, wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückzugreifen, und diese Vertretungen auch durch die Einstellung von Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen gedeckt werden könnten, könne weder ein Fehlen eines sachlichen Grundes noch ein Missbrauch darstellen. In einem solchen Fall stets den Abschluss unbefristeter Verträge zu verlangen, ginge nach Auffassung des EuGH über die Ziele der durch die Richtlinie umgesetzten Rahmenvereinbarung hinaus und würde den eingeräumten Wertungsspielraum der Mitgliedstaaten und der Sozialpartner verletzen. Der Arbeitgeber dürfe aber gleichwohl nicht missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisses zurückgreifen, mögen dies auch augenscheinlich zur Deckung eines Vertretungsbedarf geschlossen worden sein. Deshalb könne sich im Rahmen einer umfassenden Prüfung das Vorliegen, die Zahl und die Dauer aufeinanderfolgender Verträge, die in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossen wurden, als relevant erweisen.

Praxishinweis

Der für das Befristungsrecht zuständige 7. Senat des Bundesarbeitsgerichtes ist nach Ausscheiden seines langjährigen  Vorsitzenden neu besetzt worden. Dieser „neue" 7. Senat hat bereits im vergangenen Jahr die Rechtsprechung zu der Frage geändert, wann eine frühere Beschäftigung bei Abschluss eines sachgrundlos befristeten Vertrages zu berücksichtigen ist. Abzuwarten bleibt nunmehr, wie der 7. Senat die vorliegende Entscheidung umsetzt, die zwar die bisherige Rechtsprechung im Wesentlichen als europarechtskonform bestätigt, aber deutlich die Missbrauchskontrolle hervorhebt. Die Arbeitsgerichte werden in Zukunft einen evtl. Missbrauch bereits deshalb häufiger prüfen müssen, weil sich Arbeitnehmer gestützt auf die Entscheidung des EuGH hierauf berufen werden. Deshalb ist es Arbeitgebern anzuraten, sorgfältig die jeweiligen Vertretungsfälle zu dokumentieren, auch wenn die Rechtsprechung derzeit grundsätzlich nur die Wirksamkeit der letzten Befristung bei Abschluss eines befristeten Vertrages prüft.

Dr. Stefan Daub und Stephanie Krüger

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