Ein Zerwürfnis zwischen der Gesellschaftermehrheit und einem Geschäftsführer, der in einer für die Gesellschaft existenziellen Frage die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung missachtet, ist ausreichend für eine Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund. Die übrigen Gesellschafter sind aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Treuepflicht verpflichtet, dem Antrag auf Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund zuzustimmen.

I. Problemstellung

Die Berufung eines GmbH-Geschäftsführers kann grundsätzlich jederzeit frei widerrufen werden. Viele Satzungen schränken diese freie Abrufbarkeit jedoch in zulässiger Weise ein und sehen vor, dass die Abberufung des Geschäftsführers nur bei Vorliegen wichtiger Gründe wie grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung zulässig ist. Ein wichtiger Grund für die Abberufung eines Geschäftsführers liegt vor, wenn der Gesellschaft bei Würdigung aller Umstände unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen der Verbleib des Geschäftsführers in seiner bisherigen Stellung bis zum Ablauf seiner Amtszeit nicht mehr zugemutet werden kann. Darüber hinaus wird die Abberufung in der Satzung oftmals an erhöhte Beschlussmehrheiten geknüpft, um zu verhindern, dass ein Mehrheitsgesellschafter allein über die Abberufung des Geschäftsführers entscheiden kann. Das Recht der Mehrheitsgesellschafter, einen missliebigen Geschäftsführer bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abzuberufen, kann hierdurch aber nicht wirksam beschränkt werden. Denn die übrigen Gesellschafter sind nach einem neueren Urteil des OLG Köln in einem solchen Fall aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht verpflichtet, der Abberufung zuzustimmen.

II. Urteil des OLG Köln vom 01.06.2010 (Az.: 18 U 72/09)

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine GmbH fungierte als Betriebsgesellschaft eines Golfplatzes und hatte einer GbR ein Darlehen in erheblichem Umfang zur Verfügung gestellt, damit die GbR als Besitzgesellschaft die für den Betrieb des Golfplatzes erforderlichen Grundstücke anschaffen konnte. Als die GmbH Liquiditätsprobleme bekam, kündigte der Geschäftsführer den Darlehensvertrag, ohne hierfür zuvor die erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung eingeholt zu haben. Damit riskierte er, dass die GbR auf Grund der hohen Rückforderungsansprüche ihre Pachtverträge nicht würde fortführen können. Die Schädigung des Betriebs der GbR gefährdete damit zugleich auch die Existenzgrundlage der GmbH, so dass eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung von vornherein ausgeschlossen war. Eine Gesellschafterin, die zwar zusammen mit ihrem Ehemann über die Mehrheit der GmbH-Geschäftsanteile verfügt, jedoch nicht über die nach einem Stimmbindungsvertrag erforderlichen drei Viertel, verlangte von den übrigen Mitgesellschaftern die Zustimmung zur Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund. Während das erstinstanzliche Gericht die entsprechende Klage abgewiesen hatte, gab das OLG Köln den Mehrheitsgesellschafter recht.

Das Gericht argumentierte, dass der Geschäftsführer mit der Kündigung des Darlehensvertrages seine Kompetenzen überschritten habe, da nach der Satzung „ungewöhnliche Geschäfte" vor ihrer Durchführung eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses bedürften. Ein Geschäftsführer, der in einer für die Gesellschaft existenziellen Frage die Zuständigkeit der Gesellschafter grob missachte, weil er davon ausgehe, die erforderliche Zustimmung nicht zu erhalten, sei der Gesellschaft nicht länger zumutbar. Ein Zerwürfnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftermehrheit stelle einen wichtigen Grund zur Abberufung dar, da die nicht überbrückbaren Differenzen zu ständigen Konflikten führen würden, die den Erfolg des Unternehmens beeinträchtigten. Mit der Ablehnung des Wunsches auf Abberufung der betreffenden Person als Geschäftsführer verletzten daher die übrigen Gesellschafter ihre gesellschaftsvertragliche Treuepflicht.

III. Praxishinweise

Das Urteil des OLG Köln bestätigt die bisherige Rechtsprechung, wonach die Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund möglich sein muss, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der Gesellschaftermehrheit nachhaltig gestört ist. Hierfür genügt jedoch nicht jeder Verstoß gegen die innergesellschaftliche Kompetenzordnung. Es muss sich vielmehr um eine schwerwiegende Pflichtverletzung handeln. Das OLG Köln verweist insofern auf nicht überbrückbare Differenzen zwischen Gesellschaftermehrheit und Geschäftsführer, die den Erfolg der Gesellschaft beeinträchtigten. Außerdem betont das Gericht, dass die Belange der Minderheitsgesellschafter durch ihre Zustimmungsverpflichtung nicht beeinträchtigt würden. Denn durch den Stimmbindungsvertrag sei sichergestellt, dass die Mehrheitsgesellschafter keinen neuen Geschäftsführer gegen ihren Willen bestellen könnten. Der Fall des OLG Köln zeigt, dass auch erhöhte Beschlussmehrheiten im Gesellschaftsvertrag die Abberufung eines Geschäftsführers letztlich nicht verhindern können, wenn der Geschäftsführer seine Pflichten grob verletzt hat. Liegt nämlich objektiv ein wichtiger Grund vor, so sind Gegenstimmen kraft Treubindung unbeachtlich. Im Ergebnis genügt also die einfache Mehrheit. Der BGH und ein Teil der Literatur lassen die Abberufung sogar stets mit einfacher Mehrheit zu, wenn ein wichtiger Abberufungsgrund vorliegt. Diese Ansicht hat den Vorteil, dass einfache Mehrheiten in der Praxis deutlich einfacher zu erreichen sind. Ein Gesellschafterstreit, der die Abberufung des Geschäftsführers mitunter lange hinauszögert, kann dadurch vermieden werden.

Ohnehin hat die Grundsatzregelung, dass Geschäftsführer jederzeit frei abberufen werden können, seine Vorzüge und sollte daher nicht vorschnell aufgegeben werden. Zum einen drückt sich darin die untergeordnete Stellung des Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern aus. Zum anderen erfordert die unbeschränkte Vertretungsmacht des Geschäftsführers das volle Vertrauen der Gesellschafter. Ein Eigeninteresse des Geschäftsführers am Erhalt seiner Position ist dagegen nicht anzuerkennen. Die gesellschaftsvertraglichen Anforderungen für die Abberufung eines Geschäftsführers sollten daher nicht unüberlegt erhöht werden. Vielmehr gilt es, in jedem Einzelfall genau abzuwägen, ob die Interessen der Minderheitsgesellschafter (und nur um diese geht es!) tatsächlich eine Abweichung vom gesetzlichen Regelfall rechtfertigen.

Dr. Barbara Mayer und Dr. Ben Steinbrück

 

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