Am 1. April 2011 ist in der Volksrepublik China das neue "Gesetz zur Anwendung des Rechts auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung" (also das reformierte internationale Privatrecht/„IPR“ Chinas) in Kraft getreten. Das Gesetz ist Teil der umfassenden Entwicklung eines neuen, modernen Zivilgesetzbuches in China. Bislang erlassen und in Kraft getretene Bestandteile des Zivilgesetzbuches sind neben dem jetzt erlassenen Gesetz das Vertragsgesetz aus dem Jahre 1999, das Sachenrechtsgesetz aus 2007 und das Deliktgesetz aus 2010.

Das neue Gesetz regelt für Sachverhalte mit Auslandsberührung die Bereiche Sachenrecht, Schuldrecht (inklusive Deliktrecht), Schutz des geistigen Eigentums, sowie Familien- und Erbrecht.  Nicht geregelt sind Fragen der internationalen Zuständigkeit der Gerichte oder die Vollstreckbarkeit von ausländischen Entscheidungen. Viele Bestimmungen lehnen sich an deutsche, schweizerische und japanische IPR Regelungen an.

Die Vertragsparteien können für viele Bereiche grundsätzlich das Recht wählen, das auf ihre Rechtsbeziehung Anwendung finden soll. Das gilt beispielsweise für die Bereiche Vertragsrecht, Übertragung und Lizensierung von Rechten an geistigem Eigentum und dingliche Rechte an beweglichen Sachen und Vermögensbeziehungen der Ehegatten (Güterstand). Soweit eine Rechtswahl möglich ist, muss diese ausdrücklich erfolgen; eine stillschweigende Rechtswahl ist ausgeschlossen. Fehlt eine Rechtswahl, unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engste Verbindung aufweist.

Einschränkungen der freien Rechtswahl enthalten u.a. die §§ 4 und 5 des IPR-Gesetzes: danach gilt chinesisches Recht auch bei einer vertraglich vereinbarten anderen (etwa der deutschen) Rechtsordnung, wenn und soweit das chinesische Recht “zwingende” Bestimmungen enthält oder das “gesellschaftliche Allgemeininteresse” der VR China dies erfordert. Zwar sind ähnliche Bestimmungen auch im europäischen IPR gängig, entscheidend ist aber die Auslegung der darin enthaltenen unbestimmten Begriffe. Wie diese Begriffe in der Praxis interpretiert werden, bleibt abzuwarten. Hier sind Überraschungen denkbar, die am Besten durch eine qualifizierte Beratung im Einzelfall vermieden werden können. Eine Rechtswahl ist auch ausgeschlossen bei Equity- und Contractual-Joint-Venture-Verträgen (§ 126 Abs. 2 Vertragsgesetz).

Im Gesellschaftsrecht entscheidet sich das chinesische Recht für die auch in Deutschland geltende Sitztheorie: entscheidend für die Rechtsfähigkeit einer juristischen Person ist primär das Recht an deren registriertem Sitz.

Die wichtigsten Bestimmungen im Wortlaut:

§ 3 [Rechtswahl] Die Parteien können gemäß den gesetzlichen Bestimmungen das Recht ausdrücklich wählen, das auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung angewendet wird.

§ 4 [Zwingende Bestimmungen] Wenn in Gesetzen der Volksrepublik China zu zivilrechtlichen Beziehungen mit Außenberührung zwingende Bestimmungen  enthalten sind, werden diese zwingenden Bestimmungen direkt angewendet.

§ 5 [ordre public] Wenn die Anwendung ausländischen Rechts das gesellschaftliche Allgemeininteresse der Volksrepublik China schädigen würde, wird das Recht der Volksrepublik China angewendet.

§ 14 [Juristische Personen] Auf Angelegenheiten wie die zivile Rechtsfähigkeit, zivile Geschäftsfähigkeit, Organisationsstruktur, Rechte und Pflichten von Gesellschaftern von juristischen Personen und ihrer Zweigorgane wird das Recht des Ortes [ihrer] Registrierung angewendet. Wenn der hauptsächliche Betriebsort und der Ort der Registrierung der juristischen Person nicht übereinstimmt, kann das Recht des Betriebsorts angewendet werden. Als gewöhnlicher Aufenthaltsort der juristischen Person gilt [ihr] hauptsächlicher Betriebsort.

§ 18 [Schiedsverfahren] Die Parteien können das auf Schiedsvereinbarungen anwendbare Recht wählen.  Haben die Parteien nicht gewählt, wird das Recht am Ort des Schiedsgerichts oder das Recht des Ortes des Schiedsverfahrens angewendet.

§ 45 [Produkthaftung] Auf die Produkthaftung wird das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Geschädigten angewendet; wenn der Geschädigte die Anwendung des Rechts des hauptsächlichen Betriebsorts des Verletzers oder das Recht des Ortes des Schadenseintrittes wählt, oder wenn der Verletzer am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers keine betreffenden Geschäftsaktivitäten betreibt, wird das Rechts des hauptsächlichen Betriebsorts des Verletzers oder das Recht des Ortes des Schadenseintrittes angewendet.

§ 50 [Haftung für die Verletzung von geistigen Eigentumsrechten] Auf die Haftung für die Verletzung von geistigen Eigentumsrechten wird das Recht des Ortes angewendet, an dem Schutz verlangt wird; die Parteien können auch nach Eintritt der rechtsverletzenden Handlung vereinbaren, die Anwendung der lex fori zu wählen.


Gerhard Manz, Dr. Barbara Mayer

Kontakt > mehr