Für den Erfüllungsort der Nacherfüllung im Kaufrecht gilt die allgemeine Vorschrift des § 269 Abs. 1 BGB. Danach sind in erster Linie die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen entscheidend. Fehlen vertragliche Abreden, ist auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abzustellen (BGH, Urteil vom 13.04.2011 - VIII ZR 220/10).

Hintergrund

Die Frage, an welchem Ort der Verkäufer seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 die von ihm geschuldete Nacherfüllung zu erbringen hat, war höchstrichterlich bislang nicht geklärt. In der Instanzrechtsprechung und dem Schrifttum wurden hierzu unterschiedliche Ansichten vertreten:

Teilweise wurde angenommen, der Erfüllungsort für die Nacherfüllung nach § 439 BGB sei mit dem bestimmungsgemäßen aktuellen Belegenheitsort der Kaufsache gleichzusetzen (OLG München NJW 2006, 449; OLG Celle, Urteil vom 10.12.2009 - 11 U 32/09 -; Er-man/Grunewald, BGB, 12. Aufl., § 439 Rdnr. 5; MünchKomm/Westermann, 5. Aufl., § 439 BGB Rdnr. 7; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, 2004, § 439 Rdnr. 9; Thürmann, NJW 2006, 3457; Terrahe, VersR 2004, 680; u. a.). Nach anderer Ansicht bestimmte sich der Erfüllungsort für die Nacherfüllung nach § 439 BGB nach dem ursprünglichen Erfül-lungsort der Primärleistungspflicht (OLG München, NJW 2007, 3214; Jauernig/Berger, BGB, 13. Aufl., § 439 Rdnr. 11; Reinking NJW 2008, 3608; u. a.). Nach differenzierender Betrachtungsweise schließlich sollte die Beurteilung des Erfüllungsorts der Nacherfüllung von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängen, insbesondere von der Interessenlage und der Verkehrsanschauung (Pils, JuS 2008, 767). Hiernach sollte es vor allem auf die Art der Sache, insbesondere deren Transportfähigkeit und Transportüblichkeit so-wie die Verhältnismäßigkeit der Transportkosten (Pils a.a.O.) oder etwa auf den Umfang der Instandsetzungsmaßnahmen (so Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 269, Rdnr. 15) ankommen.

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.04.2011 (VIII ZR 220/10)

Mit seinem Urteil vom 13.04.2011 hat der VIII. Senat nunmehr entschieden, dass sich der Erfüllungsort für die Nacherfüllung nach der allgemeinen Vorschrift des § 269 BGB (Leistungsort) richtet. Hiernach hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte, sofern nicht ein Ort für die Leistung bestimmt oder aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen ist. Die Bestimmung des Erfüllungsortes nach der Vorschrift des § 269 BGB ermögliche - so der BGH - eine an den konkreten Umständen ausgerichtete Festlegung des Erfüllungsortes der jeweils geschuldeten Leistung und führe damit auch im Rahmen der Nacherfüllung nach § 439 BGB zu sachgerechten Ergebnissen. Dagegen ließen sich weder bei einer generellen Gleichsetzung des Erfüllungsortes der Nacherfüllung mit dem jeweiligen Belegenheitsort der Kaufsache noch bei einer automatischen Übertragung des Erfüllungsorts der ursprünglichen Primärleistungspflicht auf die Nacherfüllung für alle typischen Nacherfüllungssituationen überzeugende Lösungen finden.

Anmerkung

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs schafft Rechtsklarheit in einer bislang streitigen Frage und dürfte in der Regel auch zu sachgerechten Ergebnissen führen. So weist der BGH darauf hin, dass hiernach in vielen Fällen der Erfüllungsort nach den Umständen des Falles am Sitz des Verkäufers anzusiedeln sein wird. Denn bei Geschäften des täglichen Lebens etwa entspricht es der Verkehrsauffassung, dass die Kunden ihre Reklamationen regelmäßig unter Vorlage der mangelhaften Ware am Sitz des Verkäufers vorbringen. Vom Händler erfordern Nachbesserungsarbeiten in der Regel technisch aufwendige Diagnose- oder Reparaturarbeiten des Verkäufers, die wegen der dort vorhandenen materiellen und personellen Möglichkeiten sinnvoll nur am Betriebsort des Händlers vorgenommen werden können. Dagegen erweist sich eine Gleichsetzung des Erfüllungsorts der Nacherfüllung mit dem Sitz des Verkäufers in denjenigen Fällen oft als unangemessen, in denen es um die Nachbesserung von Gegenständen geht, die der Käufer an ihrem Bestimmungsort auf- oder eingebaut hat, oder in denen ein Rücktransport aus anderen Gründen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen zu bewerkstelligen wäre. Hier führt die Anwendung des § 269 BGB zum Erfüllungsort am Sitz des Käufers.

Dessen ungeachtet besteht Handlungsbedarf: Will man es nicht auf eine nachträgliche Bestimmung des Erfüllungsortes der Nacherfüllung „aus der Natur des Schuldverhältnisses" im Sinne von § 269 BGB ankommen lassen, muss der Ort, an dem die Nacherfüllung zu erbringen ist, eben zur Vertragsgrundlage gemacht werden. Eine Ermittlung des Leistungsortes „aus der Natur des Schuldverhältnisses" erfolgt nämlich nur dann, wenn vertraglich von den Parteien nichts anderes bestimmt worden ist (§ 269 Abs. 1 BGB). Bei Gestaltung von Vertragsbedingungen sollte künftig daher bedacht werden, nicht nur den Erfüllungsort der primären Leistungspflichten festzulegen, sondern auch den Erfüllungsort der Nacherfüllung.

Mike Weitzel

 

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