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Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in internationale Kaufverträge

Die wirksame Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in internationale Kaufverträge setzt voraus, dass der Verwender der AGB dem Erklärungsempfänger den Text der AGB übersendet oder anderweitig zugänglich macht. Es reicht nicht aus, wenn der Vertragspartner lediglich die Möglichkeit erhält, den Text beim Verwender anzufordern oder von der Internet-Seite des Verwenders herunterzuladen.

Hintergrund
Die Parteien stritten um Schadensersatz nach vorzeitiger Beendigung eines langfristigen Liefervertrages. Die Beklagte rügte die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und verwies auf ihre AGB, die einen Gerichtsstand in den USA vorsehen. Die AGB wurden der Klägerin jedoch bei Vertragsschluss nicht übersandt, sondern konnten lediglich im Internet auf dem Lieferanten-Portal der Beklagten abgerufen und heruntergeladen werden. Die Beklagte meinte, dies reiche für eine wirksame Einbeziehung der AGB aus, zumal die Vertragskorrespondenz über das Internet geführt worden sei. Das Thüringer OLG sah dies jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anders und verlangt grundsätzlich die Übersendung oder Übergabe der AGB.

Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts vom 10.11.2010 (Az.: 7 U 303/10)
Die Frage, ob die AGB der Beklagten wirksam in den Vertrag einbezogen worden waren, hatten die Thüringer Richter am Maßstab des UN-Kaufrechts zu beurteilen. Danach ist es erforderlich, dass der Empfänger eines Vertragsangebots, dem Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde gelegt werden sollen, die Möglichkeit haben muss, von dem Inhalt in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen. Dies setzt zunächst voraus, dass für den Empfänger des Angebots der Wille des Anbietenden erkennbar sein muss, seine Bedingungen in den Vertrag einbeziehen zu wollen. Zudem muss der Anbietende dem Erklärungsgegner den Text der AGB übersenden oder die AGB anderweitig zugänglich machen. Das Thüringer OLG wies darauf hin, dass es anders als im nationalen Rechtsverkehr dem Vertragspartner im internationalen Rechtsverkehr nicht zuzumuten sei, den Text beim Verwender der AGB anzufordern. Eine Erkundigungspflicht sei mit dem Grundsatz des guten Glaubens im internationalen Handel sowie der allgemeinen Kooperations- und Informationspflicht der Parteien nicht zu vereinbaren. Stattdessen müssten die AGB grundsätzlich übersandt werden. Ob diese Einbeziehungsvoraussetzungen vorliegen, müsse der Verwender der AGB beweisen.

Praxishinweise
AGB werden bei nationalen Verträgen Vertragsbestandteil, wenn sie in Angebot und Annahme der Parteien eingebunden sind. Dies geschieht in aller Re¬gel dadurch, daß eine Seite im Vertragsangebot oder auf dem Bestellformular auf die Geschäftsbedingungen hinweist und die andere Seite das Angebot wider¬spruchslos annimmt. Im Rechtsverkehr zwischen Unternehmern innerhalb Deutschlands ist es nicht erforderlich, daß die Ge¬schäftsbedingun¬gen jedem einzelnen Kunden ausgehändigt oder komplett in jedes Bestellformular eingedruckt werden. Die Gerichte erkennen das Interesse des Ge¬schäftsverkehrs an rascher und unkomplizierter Vertragsabwicklung an und muten den Kaufleuten eine gewisse Sorgfalt und Erkundigungslast bei der Prüfung von Angeboten zu. Es wird daher als ausreichend angesehen, wenn im Angebot oder im Bestellformular ausdrücklich und deutlich auf AGB hin¬gewie¬sen wird, die AGB aber nicht beiliegen, sondern auf Wunsch zur Verfü¬gung gestellt oder im Internet eingesehen werden können.
Im Unterschied dazu werden bei grenzüberschreitenden Kaufverträgen AGB nur Vertragsbestandteil, wenn

  1. sie in Angebot und Annahme der Parteien (z.B. durch Hinweis auf die AGB) eingebunden sind (siehe oben) und
  2. zusätzlich der Anbietende dem Erklärungsgegner den Text der AGB übersendet oder die AGB anderweitig zugänglich macht.


Die Angabe der jeweiligen Internet-Seite, von der die AGB heruntergeladen werden können - was in der Praxis häufig vorkommt - genügt nicht. Dies wurde zwar zuletzt von Teilen der juristischen Literatur unter Hinweis auf die sich ändernden Gepflogenheiten des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs für ausreichend erachtet: Sofern der Vertragspartner einen Zugang zum Internet habe und mit einer Email-Adresse im Geschäftsverkehr auftrete, sei es ihm zumutbar, auf einer - übersichtlich gestalteten - Homepage die AGB selbst abzurufen. Das Thüringer OLG lehnte diese Ansicht jedoch ab. Stattdessen schließt es sich einer im letzten Jahr ergangenen Entscheidung des OLG Celle (Urteil vom 24.07.2009, Az 13 W 48/09) an, nach der die Bezugnahme auf im Internet einseh- und abrufbare AGB nicht genügt. Deshalb müssen die AGB nach wie vor - trotz weiter zunehmender Nutzung des Internets - übersandt oder auf andere Weise vorgelegt werden (z.B. im Rahmen einer Besprechung). Die AGB müssen dabei in einer für die andere Partei verständlichen Sprache und in lesbarer Form überreicht werden. Unerheblich ist hingegen, ob die andere Partei die AGB tatsächlich gelesen hat.

Dr. Hendrik Thies, Dr. Ben Steinbrück

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