Neues bei FGvW

Kauf der Dresdner Bank durch die Commerzbank: Keine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich

Bei einer Aktiengesellschaft gehört der Erwerb einer Beteiligung - unabhängig von der Bedeutung und dem Volumen der Transkation - in die Reihe vorstandsautonomer Geschäftsführungsangelegenheiten, wenn eine satzungsmäßige Zulassung genereller Art vorliegt. Dann ist eine Zuständigkeit der Hauptversammlung nach der sog. "Holzmüller-" bzw. "Gelatine-Rechtsprechung" des Bundesgerichtshofes nicht erforderlich.

 

Der Fall
Im Sommer 2008 schloss die Commerzbank AG mit der Allianz SE einen Vertrag über den Erwerb der Dresdner Bank AG ab. Die Satzung der Commerzbank enthielt die Regelung, dass der Unternehmensgegenstand auch den Erwerb und die Beteiligungen an anderen Unternehmen umfasst (sog. Konzernöffnungsklausel). Nach Entschluss von Vorstand und Aufsichtsrat bedurfte der Kauf der Dresdner Bank daher keiner Zustimmung der Hauptversammlung, die auch nicht (vorsorglich) eingeholt wurde.
Aufgrund der Finanzkrise sank der Wert der Dresdner Bank erheblich, was die Bilanz der Commerzbank (neben anderen Faktoren) so belastete, dass diese Mittel aus dem Banken-Rettungsfonds in Anspruch nehmen musste.

In der Hauptversammlung 2009 wurden sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat der Commerzbank AG für das Geschäftsjahr 2008 entlastet. Vier Aktionäre fochten diese Entlastung jedoch gerichtlich an. Sie hielten den Erwerb der Dresdner Bank für satzungs- und gesetzeswidrig, da (1) entsprechend der „Holzmüller"-Entscheidung die Hauptversammlung um ihre Zustimmung hätte ersucht werden müssen, und (2) die Vorstandsmitglieder pflichtwidrig gehandelt hätten, da sie die wirtschaftlich „desaströsen" Auswirkungen der Transaktion hätten erkennen müssen.

Der rechtliche Hintergrund
Nach der Rechtsprechung des BGH („Holzmüller"-Entscheidung aus 1982 und „Gelatine"-Entscheidungen aus 2004) muss bei ganz besonders weitreichenden Geschäftsführungsmaßnahmen die Zustimmung der Hauptversammlung eingeholt werden, auch wenn dies weder im Gesetz noch in der Satzung ausdrücklich vorgeschrieben ist. Dies ist der Fall, wenn so substantielle Eingriffe in die Organisationsstruktur oder in die Vermögenssubstanz der Aktiengesellschaft vorgenommen werden, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe diese Maßnahmen in ausschließlich eigener Verantwortung treffen. Die Geschäftsführungsmaßnahme muss dabei eine wesentliche Beeinträchtigung der Mitwirkungsbefugnisse der Aktionäre bewirken (eine „Mediatisierung" ihres Einflusses), die so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und ihr im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreift, dass dies qualitativ an eine Satzungsänderung heranreicht.

Die ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung dient also dem Schutz der Aktionäre vor Verwässerung ihres Einflusses und davor, dass die Gesellschaft ohne ihre Zustimmung das Gesellschaftsvermögen als Grundlage ihrer satzungsmäßigen Unternehmenstätigkeit völlig aus der Hand gibt. Die Wesentlichkeit der Geschäftsführungsmaßnahme wurde bei einer Schwelle von ca. 80 % des verkauften Vermögenswertes vom Gesamt-Gesellschaftsvermögen bejaht.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt
Das OLG Frankfurt hat die Klage zurückgewiesen. Es hat zunächst festgestellt, dass die Satzung der Commerzbank eine sogenannte „Konzernöffnungsklausel" enthielt, wonach die Aktiengesellschaft in Ausübung ihres Gesellschaftszweckes Beteiligungen an anderen Unternehmen erwerben und verwalten darf. Weiter sei der Ankauf einer Beteiligung grundsätzlich kein Entzug von Vermögenswerten, und daher seien die Grundsätze der „Holzmüller"-Entscheidung nicht einschlägig.

Zudem sei auch die nach „Holzmüller" kritische Grenze nicht annähernd erreicht worden. Maßgebliche Richtgröße ist die Schwelle von 80% der Aktiva, wobei die Größe des erworbenen Unternehmens (Dresdner Bank) mit der Größe des kombinierten Unternehmens nach Erwerb (Commerzbank und Dresdner Bank) ins Verhältnis gesetzt wird. Die Tatsache, dass die Dresdner Bank sich letztlich in ihrer Werthaltigkeit drastisch verschlechtert hat, sei zum Zeitpunkt der Übernahme-Entscheidung noch nicht absehbar gewesen. Der Vorstand hatte eine umfangreiche Due Diligence durchführen lassen und damit seine Sorgfaltspflichten erfüllt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Gegen die Nichtzulassung der Revision wurde Beschwerde beim BGH eingereicht (Az. II ZR 253/10).

Anmerkung
Das Urteil schafft ein Stück Sicherheit für Vorstände von Aktiengesellschaften, ohne sie jedoch aus ihrer Verantwortung zu entlassen: Die Zustimmung der Hauptversammlung bei einem Unternehmenskauf ist danach nicht notwendig, wenn die Satzung eine Konzernklausel enthält. Die Werthaltigkeit des gekauften Unternehmens muss jedoch sorgfältig im Rahmen einer Due Diligence geprüft werden, anderenfalls verletzen Vorstand (und ggf. Aufsichtsrat) ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft und haften für einen Schaden (z.B. einen erkennbar geringeren Wert).

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft hat jedoch die Möglichkeit, die Zustimmung der Hauptversammlung auch dann einzuholen, wenn weder das Gesetz, noch die Satzung, noch die hier dargestellten Grundsätze dies erfordern. In diesem Fall haftet der Vorstand gegenüber der Aktiengesellschaft nur dann, wenn er den Beschluss der Hauptversammlung in pflichtwidriger Weise herbeigeführt hat, insbesondere durch falsche oder unvollständige Informationen. Neben diesem haftungsrechtlichen Grund ist die Vorlage an die Hauptversammlung auch bei Dissens zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bzgl. der Geschäftsführungsmaßnahme sinnvoll.

Praxistipp
Es empfiehlt sich, in den Unternehmensgegenstand eine Konzernöffnungsklausel aufzunehmen, also eine Regelung, die zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die geeignet sind, den Gesellschaftszweck zu fördern, insbesondere auch durch den Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen.

Dr. Barbara Mayer, Iris Jachmann

Kontakt > mehr