Die internationale Handelskammer (ICC) in Paris hat ihre seit 1998 gültige Schiedsgerichtsordnung reformiert. Die neuen Regeln wurden diesen Monat vorgestellt und treten am 1. Januar 2012 in Kraft. Mit der Revision der Schiedsgerichtsordnung sollen insbesondere die Effizienz der Schiedsverfahren gesteigert und die Verfahrenskosten gesenkt werden.

Der Internationale Schiedsgerichtshof der ICC ist die führende Institution für die Durchführung internationaler Schiedsverfahren. Wie andere Schiedsinstitutionen auch hat er die Aufgabe, Parteien bei der schiedsgerichtlichen Beilegung ihrer Handels- und Wirtschaftsstreitigkeiten zu unterstützen, indem er bestimmte Organisations- und Aufsichtsfunktionen im Verlauf eines Schiedsverfahrens übernimmt. Grundlage eines ICC-Schiedsverfahrens ist die ICC-Schiedsgerichtsordnung, deren aktuell gültige Fassung seit dem 1. Januar 1998 in Kraft ist. Um den aktuellen Entwicklungen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit gerecht zu werden, hat die ICC ihre Schiedsgerichtordnung in den letzten Jahren überarbeitet. Diesen Monat wurden die neuen Regeln vorgestellt. Sie treten zum 1. Januar 2012 in Kraft.

Die neue ICC-Schiedsordnung soll insbesondere dazu beitragen, dass Schiedsverfahren effizienter abgewickelt werden können. Dadurch sollen vor allem die Verfahrenskosten gesenkt werden. Darüber hinaus enthalten die neuen Regeln erstmals einen eigenen Abschnitt zu komplexen Mehrparteienverfahren und der Bündelung von Schiedsverfahren. Auch der schiedsgerichtliche Eilrechtsschutz (sog. "Emergency Arbitration") wird mit den neuen Regeln erheblich gestärkt. So können die Parteien in Zukunft bereits vor der Konstituierung des Schiedsgerichts dringende vorläufige oder sichernde Maßnahmen bei einem neu installierten "Emergency Arbitrator" beantragen. Damit ist ein vorläufiger Rechtsschutz innerhalb des Schiedsverfahrens möglich, d.h. die Parteien müssen nicht mehr zwangsläufig parallel zum Schiedsverfahren die staatlichen Gerichte anrufen, um Eilrechtsschutz zu bekommen. Schließlich berücksichtigt die Neufassung der ICC-Schiedsordnung die wachsende Bedeutung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und privaten Investoren.

Aus Parteiensicht besonders interessant sind die reformierten Regeln zum Ablauf des Schiedsverfahrens, mit denen die ICC auf die Rufe der Praxis nach effizienteren Verfahrensstrukturen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit reagiert. Sowohl Großkonzerne als auch mittelständische Unternehmen beklagen seit langem, dass die Kostenbelastung in Schiedsverfahren zu hoch sei. Bestimmungen wie der neue Art. 24, der eine "case management conference" zu Beginn des Schiedsverfahrens vorschreibt, sowie die im Anhang IV aufgeführten Techniken effizienter Verfahrensführung (z.B. Begrenzung von Dokumentenvorlagen und Schriftsätzen, Abtrennung und gesonderte Entscheidung einzelner Streitfragen, etc.) tragen diesen Forderungen Rechnung. Sie sind zwar keine revolutionären Neuerungen, sondern schreiben lediglich anerkannte Standards für Schiedsverfahren fest. Die Aufnahme dieser "best practices" in die neue Schiedsgerichtsordnung wird ihre Akzeptanz in der ICC-Schiedspraxis aber weiter stärken.

Ob ICC-Schiedsverfahren damit tatsächlich schneller und kostengünstiger durchgeführt werden können, bleibt abzuwarten. Denn die Kosten eines Schiedsverfahrens hängen nicht zuletzt davon ab, wie die Parteien (und ihre Anwälte) das Verfahren führen. Die neue ICC-Schiedsgerichtsordnung gibt dem Schiedsgericht aber zumindest genügend Instrumente an die Hand, um die Dauer und damit auch die Kosten eines Schiedsverfahrens besser kontrollieren zu können.

Dr. Ben Steinbrück

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