Wer sich mit Unternehmenskäufen und -verkäufen befasst, kennt in aller Regel auch die besonderen Stolpersteine des brasilianischen Kartellrechts. Es sieht nämlich vor, dass M&A-Transaktionen in Brasilien angemeldet werden müssen, wenn nur eine der beteiligten Vertragsparteien dort einen Umsatz von mehr als 400 Millionen R$ (ca. 151 Mio. EUR) erwirtschaftet. Das führt dazu, dass jeder Unternehmenskauf von Konzernen wie Siemens oder GE der Fusionskontrolle in Brasilien unterliegt - selbst wenn nur ein kleines Konzernunternehmen auf der Schwäbischen Alb oder im Sauerland verkauft wird.

Dass diese Regelung unangemessen ist und zu weit geht, ist unstreitig. Nahezu alle globalen Transkationen bedürfen der Anmeldung bei der brasilianischen Kartellbehörde. Die Verfahren dauern dementsprechend lang. Deshalb werden seit etlichen Jahren Reformvorschläge diskutiert. Jetzt ist ein Ende in Sicht. Anfang Oktober 2011 stimmte die Abgeordnetenkammer des brasilianischen Parlaments einem Gesetzentwurf zu, der bereits 2010 vom Senat verabschiedet wurde.  Der Text liegt jetzt der Präsidentin zur Unterschrift zu und kann dann in Kürze in Kraft treten.

Eines der meistdiskutierten Themen im Reformprozess war die Veränderung der Kriterien, nach denen Unternehmenszusammenschlüsse beim brasilianischen Kartellamt angemeldet werden müssen. Nach geltendem Recht bedürfen Unternehmungen der Zustimmung der Kartellbehörden, wenn einer der beteiligten Akteure einen jährlichen Brutto-Umsatz in Brasilien erwirtschaftet, der gleich oder höher als 400 Mio. R$  liegt oder der Marktanteil eines oder aller Beteiligten mehr als 20 % beträgt.

Das Markanteilkritierum soll künftig ganz entfallen. Und die Umsatzschwellen werden insofern relevant verändert, als sie sich nicht nur auf eine, sondern auf zwei beteiligte Parteien beziehen müssen: Zusammenschlüsse müssen künftig angemeldet werden, wenn eine Partei (wie bisher) einen Jahresumsatz von mindestens 400 Mio. R$ und eine andere Partei einen Jahresumsatz von mindestens 30 Mio. R$  in Brasilien erwirtschaftet hat. Und das hat ganz praktische Auswirkungen: Unternehmenstransaktionen, bei denen nur eine Seite in Brasilien erhebliche Umsätze erzielt, fallen künftig nicht mehr unter die brasilianische Fusionskontrolle. Wer also von Siemens oder GE ein Unternehmen kauft, das nicht oder nur geringfügig in Brasilien tätig ist, braucht sich also nicht mehr mit der brasilianischen Kartellbehörde auseinanderzusetzen.

Für Fusionskontrollverfahren in Brasilien gelten darüber hinaus einige neue Regelungen: Unternehmen haben 15 Werktage Zeit, um eine Transaktion bei der Kartellbehörde anzumelden. Diese Frist beginnt mit Abschluss des verbindlichen Vertrags. Während des - bis zu 330 Tage dauernden - Verfahrens darf der Unternehmenszusammenschluss nicht vollzogen werden. Bei einem Verstoß droht ein Bußgeld zwischen 60.000 R$ und 60 Mio. R$ und die Nichtigkeit der Transaktion.Wird das Verfahren nicht innerhalb der maximal Zeitdauer von 330 Tagen abgeschlossen, gilt die Transaktion als genehmigt.

Fazit:

Künftig werden deutlich weniger Unternehmenszusammenschlüsse als bisher der brasilianischen Fusionskontrolle unterliegen. Wenn ein Zusammenschluss in Brasilien angemeldet werden muss, dürfte das Verfahren schneller vonstatten gehen als bislang. Während des laufenden Verfahren darf der Zusammenschluss nicht vollzogen werden. Das brasilianische Kartellrecht nähert sich damit an das Fusionskontrollrecht anderer Länder - auch an das deutsche Fusionskontrollrecht nach GWB - an.

Roberto De Oliveira Marino (Anwalt bei unserem brasilianischen Kooperationspartner Peixoto e Cury Advogados), Dr. Barbara Mayer

 

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