Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben am 16. Februar 2011 die Zahlungsverzugsrichtlinie neu gefasst (Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (Neufassung), ABl. L 48 vom 23. Februar 2011, S. 1). Die Richtlinie gilt für Zahlungsforderungen zwischen Unternehmen oder Unternehmen und öffentlichen Stellen aus der Lieferung von Waren oder Dienstleistungen. Die Mitgliedsstaaten müssen die Richtlinie bis zum 16. März 2013 umsetzen.

Auch wenn es bis dahin noch ein weiter Weg zu sein scheint: Es lohnt sich bereits jetzt, einen Blick darauf zu werfen, wie sich die neue Zahlungsverzugsrichtlinie in der Praxis auswirken wird.

Die bisherige Zahlungsverzugsrichtlinie

Die zuvor geltende und bereits in nationales Recht umgesetzte Zahlungsverzugsrichtlinie 2000/35/EG vom 29. Juni 2000 (ABl. L 200 vom 08. August 2000, S. 35) wird durch die neue Richtlinie in wesentlichen Punkten geändert. Zwar bleibt es bei der grundsätzlichen Zahlungsfrist von 30 Tagen, nach deren Ablauf automatisch Verzugszinsen zu zahlen sind. Bisher konnte hiervon jedoch zugunsten des Schuldners durch vertragliche Vereinbarung jederzeit abgewichen werden. Dies wird durch die neue Richtlinie nun eingeschränkt.

Die wesentlichen Änderungen durch die neue Zahlungsverzugsrichtlinie

Öffentliche Stellen dürfen sich Zahlungsfristen von mehr als 30 Tagen vertraglich nur noch einräumen lassen, wenn dies aufgrund von Besonderheiten des Vertrags sachlich gerechtfertigt ist. Als absolute Höchstgrenze gilt dabei eine Frist von 60 Tagen. Für bestimmte öffentliche Stellen, insbesondere im Bereich des Gesundheitssektors, kann der nationale Gesetzgeber längere Fristen als 30 Tage vorsehen, längstens jedoch ebenfalls 60 Tage.

Zwischen privaten Unternehmen kann auch eine längere Zahlungsfrist als 60 Tage vertraglich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung muss aber ausdrücklich erfolgen und darf für den Gläubiger nicht grob nachteilig sein. Als grob nachteilig gilt nach der Richtlinie z. B. eine Klausel, die Verzugszinsen komplett ausschließt. Schließt ein Vertrag die Entschädigung für Inkassokosten des Gläubigers aus, wird vermutet, dass die Regelung grob nachteilig ist.

Ist vertraglich oder gesetzlich eine Abnahme vorgesehen, muss diese spätestens 30 Tage nach Empfang der Ware oder Dienstleistung erfolgen, damit die kürzeren Zahlungsfristen nicht auf diesem Wege umgangen werden können.

Die neue Zahlungsverzugsrichtlinie erhöht außerdem europaweit den Mindestzinssatz von 7 auf 8 Prozentpunkte über dem Bezugszinssatz der EZB Dies entspricht dem bereits bisher in Deutschland im unternehmerischen Verkehr geltenden Zinssatz.

Außerdem wird eine Pauschale in Höhe von 40 Euro eingeführt, die der Schuldner mindestens als Entschädigung für die Inkassokosten des Gläubigers zu zahlen hat. Darüber hinaus gehende Kosten, etwa für die Einschaltung eines Rechtsanwalts oder Inkassobüros, können ausdrücklich geltend gemacht werden.

Konsequenzen aus der neuen Zahlungsverzugsrichtlinie

Die neue Zahlungsverzugsrichtlinie dient dem Schutz der Gläubiger und steht damit in einer Linie mit den bereits geltenden europäischen Verordnungen zur Forderungsvollstreckung, z. B. der Verordnung zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens. Sie verstärkt die Tendenz zu einem einheitlichen Zahlungsziel von 30 Tagen in Europa und schützt damit insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) vor der schlechten Zahlungsmoral von Großunternehmen und öffentlicher Hand in vielen Mitgliedsstaaten. Die Inkassokostenpauschale von 40 Euro erübrigt zudem den Nachweis bei geringen Verzugsschäden. Allerdings dürfte sie in den seltensten Fällen kostendeckend sein.

Für die Abnehmer von Waren und Dienstleistungen gilt es, ihre bestehende Zahlungspraxis daraufhin zu überprüfen, ob sie noch mit der neuen Richtlinie vereinbar ist. Zahlungsziele von mehr als 30 Tagen bei öffentlichen und mehr als 60 Tagen bei privaten Schuldnern lassen sich nur noch schwer rechtfertigen. Bei Verstößen drohen Abmahnungen und ggf. Schadensersatzforderungen. Daher sollten Unternehmen insbesondere ihre Allgemeinen Einkaufsbedingungen überprüfen und längere Zahlungsziele oder Regelungen, die Verzugszinsen oder die Geltendmachung von Inkassokosten ausschließen, revidieren.

Dr. Barbara Mayer, Dr. Sven Ufe Tjarks

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