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Zielvereinbarung und einseitige Zielvorgabe durch Arbeitgeber

Wenn gemäß Arbeitsvertrag Ziele für eine erfolgsabhängige Vergütung vereinbart werden, darf sich der Arbeitgeber nicht vorbehalten, die Ziele ohne Verhandlung einseitig festzulegen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seinem Urteil vom 3. Juli 2024 (Az. 10 AZR 171/23) entschieden.

Sachverhalt

Die Parteien stritten über Schadensersatz wegen entgangener erfolgsabhängiger variabler Vergütung für das Jahr 2020. Der Kläger war seit 2020 bei der Beklagten als „Development Director“ für das Ressort Schiffe beschäftigt. Neben seinem Festgehalt vereinbarten die Parteien die Zahlung einer erfolgsabhängigen variablen Vergütung (Tantieme). Im Arbeitsvertrag wurde vereinbart, dass die Ziele (hier: drei wesentliche Kriterien), die für das Erreichen der Tantieme erforderlich sind, jährlich von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam festgelegt werden sollten. Sollten die drei Kriterien nicht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden, dürfe der Arbeitgeber die Ziele selbst nach billigem Ermessen festlegen.

Ab Juni 2020 forderte Kläger die Beklagte auf, Verhandlungen über die Zielvereinbarung aufzunehmen. Schließlich machte die Beklagte ein Angebot, welches der Kläger für unangemessen hielt. Das Gegenangebot des Klägers akzeptierte, umgekehrt die Beklagte nicht. Eine Einigung über eine Zielvereinbarung scheiterte damit. Ende August 2020 übermittelte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einseitig von ihm festgelegte Zielvorgaben. Der Kläger schied zum Ende des Jahres aus dem Unternehmen aus. Eine Tantieme zahlte die Beklagte an den Kläger nicht.

Der Kläger klagte daher auf Schadensersatz in Höhe der entgangenen Tantieme (97.000 Euro). Er vertrat die Auffassung, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Ziele einseitig vorzugeben. Die Beklagte hingegen war der Auffassung, dass der Arbeitsvertrag für eine ersatzweise Zielvorgabe allein voraussetze, dass Ziele nicht vereinbart worden seien. Auf die Gründe hierfür komme es nicht an.

Das Arbeitsgericht Hamburg gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Hamburg das Urteil des Arbeitsgerichts unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und die Klage in Höhe von 14.392,86 Euro abgewiesen. Gegen das Urteil des LAG Hamburg legte die Beklagte Revision ein. Das BAG wies die Revision zurück.

Entscheidungsgründe

Gemäß der Entscheidung des BAG hat der Kläger gegen die Beklagte Schadensersatz wegen ihm entgangener erfolgsabhängiger variabler Vergütung („Tantieme“) für das Kalenderjahr 2020 in Höhe von 82.607,14 Euro brutto. Das BAG begründet seine Entscheidung damit, dass die Beklagte schuldhaft ihre gemäß Arbeitsvertrag bestehende Pflicht verletzt habe, mit dem Kläger für den Zeitraum vom 16. Juni bis zum 31. Dezember 2020 eine Zielvereinbarung abzuschließen. Deren Ersetzung durch eine einseitige Zielvorgabe sei nicht zulässig gewesen.

Die Klausel über die einseitige Zielvorgabe nach billigem Ermessen hielt einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB nicht stand. Das BAG ist insoweit der Auffassung, die Regelung benachteilige den Kläger gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB unangemessen.

Die Unwirksamkeit der Klausel führe nach § 306 Abs. 1 BGB damit zum ersatzlosen Wegfall der Bestimmung über die Zielvorgabe Dies habe zur Folge, dass allein die Grundsätze über die Durchführung und das Scheitern einer Zielvereinbarung anzuwenden sind.

So führt das BAG aus, dass wenn sich der Arbeitgeber vertraglich verpflichte, mit dem Arbeitnehmer für eine Zielperiode Ziele zu vereinbaren, an deren Erreichen eine Tantieme- oder Bonuszahlung geknüpft sei, erfülle er diese Vertragspflicht regelmäßig nur, wenn er mit dem Arbeitnehmer Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung führe und es diesem ermögliche, auf die Festlegung der Ziele Einfluss zu nehmen. Die Beklagte habe vorliegend trotz entsprechender Aufforderung durch den Kläger mit diesem keine Verhandlungen geführt, die den Abschluss einer Zielvereinbarung für die im ersten Beschäftigungsjahr maßgebliche Zielperiode ermöglicht hätte. Sie habe dem Kläger zwar ihre Zielvereinbarungsvorstellungen mit der Bitte um Rückmeldung übermittelt und erklärt, sie sei bereit, sich mit dem Kläger an einem bestimmten Tag direkt auszutauschen, sofern zu ihren Zielvorstellungen noch Rücksprachebedarf bestehe. Die Beklagte habe jedoch – im Widerspruch zu ihrer Ankündigung – keine Bemühungen um eine einvernehmliche Festlegung der Ziele unternommen, nachdem der Kläger seine abweichenden Zielvorstellungen mitgeteilt und um Rückmeldung gebeten hatte. Vielmehr habe die Beklagte Ziele dann einseitig vorgegeben.

Hinweis für die Praxis

Das BAG führt seine Rechtsprechungspraxis in Bezug auf Zielvereinbarungen fort und setzt mit dieser Entscheidung auch einen Riegel vor die Möglichkeit der einseitigen Bestimmung der Ziele durch den Arbeitgeber nach Scheitern einer gemeinsamen Zielvereinbarung. Es kann daher nur jedem Arbeitgeber dringend angeraten werden, mit den Mitarbeitern, die eine variable Vergütung aufgrund von Zielvereinbarungen erhalten, angemessene Ziele zu vereinbaren. Ansonsten kann es für den Arbeitgeber teuer werden.

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