sabine schroeter arbeitsrecht webp 1.jpg

(Wann) Sind Handelsvertreter Arbeitnehmer?

Für die Annahme, ein Handelsvertreter sei als Einfirmenvertreter im Sinne von § 92a Abs. 1 Satz 1 HGB tätig, reicht der bloße Verweis auf ein branchenbezogenes Konkurrenzverbot im Handelsvertretervertrag nicht aus. Allein dieses Verbot kann auch keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Vergütungsstreitigkeiten begründen. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Hessen mit Beschluss vom 24.02.2025 (Az. 10 Ta 299/24).

Sachverhalt

Dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hessen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist als Handelsvertreter für die Beklagte tätig. Er vermittelt Bauverträge über Fertighäuser. Grundlage seiner Tätigkeit ist zunächst ein Vertrag als freier Handelsvertreter aus dem Jahr 2010. Im Jahr 2017 schließen der Kläger und sein Vertragspartner einen neuen Handelsvertretervertrag und eine Superprovisionsvereinbarung ab, nach denen der Kläger weisungsunabhängig für die Beklagte tätig werden soll. Im Gegenzug sagt ihm die Beklagte nicht nur eine Provision für die erfolgreiche Vermittlung zu, sondern auch eine zusätzliche gebietsbezogene Provision. Im Jahr 2024 kündigt die Beklagte das Handelsvertreterverhältnis, worauf der Kläger Annahmeverzugsansprüche, Provisionen und Anwaltskosten gerichtlich gegen sie geltend macht. Er hält den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für eröffnet und begründet dies damit, dass er als Einfirmenvertreter gemäß § 92a HGB anzusehen sei. Schließlich habe er während der Vertragslaufzeit nicht für andere Unternehmen desselben Wirtschaftszweiges tätig werden dürfen. Eine andere Tätigkeit, so der Kläger, sei auch faktisch ausgeschlossen gewesen, weil er weit mehr als 70 Wochenstunden für die Beklagte gearbeitet habe.

Entscheidungsgründe

Nachdem das Arbeitsgericht erster Instanz seine Zuständigkeit abgelehnt und den Rechtsstreit zur Entscheidung an die ordentlichen Gerichte verwiesen hatte, griff der Kläger zum Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde. Auch das LAG Hessen versagte ihm den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten. Das erstinstanzliche Gericht, so die 10. Kammer, habe zu Recht seine Unzuständigkeit angenommen. Der Wortlaut der zwischen den Parteien abgeschlossenen Vereinbarungen entspreche einem freien Handelsvertreterverhältnis. Denn es sei vertraglich nicht vorgesehen gewesen, dass der Kläger als weisungsgebundener Arbeitnehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG tätig wird. Dafür, dass die tatsächliche Handhabung des Vertrags vom geschriebenen Inhalt abweiche, habe der Kläger nicht hinreichend vorgetragen. Auch § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG könne vorliegend keine Zuständigkeit begründen. Danach seien Handelsvertreter nur dann als Arbeitnehmer anzusehen, wenn sie als Einfirmenvertreter handeln und nicht mehr als 1.000 Euro pro Monat an Vergütung einschließlich Provision und Aufwendungsersatz beziehen. Einfirmenvertreter im Sinne der Norm sei aber nur ein Handelsvertreter, dessen Tätigkeit für weitere Unternehmen entweder vertraglich oder faktisch ausgeschlossen ist. Das vorliegend bloß branchenbezogen formulierte Tätigkeitsverbot schieße die Arbeit des Klägers für Unternehmen anderer Wirtschaftszweige nicht aus. Auch die pauschalen Verweise des Klägers auf seine Aufgaben und die lange Arbeitszeit seien zu unspezifisch, um zu einer Anwendbarkeit von § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG zu gelangen.

Hinweis für die Praxis

Freie Handelsvertreter sind keine Arbeitnehmer. Das Arbeitsrecht findet grundsätzlich keine Anwendung auf sie. Zur Anwendung kommen stattdessen die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB). Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Unternehmen und dem angestellten Arbeitnehmer ist dagegen im Arbeitsrecht geregelt. Dieses beinhaltet Gesetze, Verordnungen und sonstige Bestimmungen zur nicht selbstständigen, abhängigen Tätigkeit. Im Gegensatz zum HGB steht hier der Arbeitnehmerschutz im Vordergrund, der durch Arbeitsverträge, Arbeitszeiten, Kündigungsschutz oder auch Tarifverträge gewährleistet wird. Handelsvertreter können diesen Schutz nur in absoluten Ausnahmefällen für sich beanspruchen. Sie können zudem nur dann vor den Arbeitsgerichten klagen, wenn deren besondere Zuständigkeit eröffnet ist. Dies ist nach § 5 Abs. 3 ArbGG für Einfirmenvertreter der Fall. Doch trägt der Handelsvertreter für diese Eigenschaft die volle Darlegungs- und Beweislast. Im vorliegenden Verfahren war die Beweislage deutlich zu dünn. Die Entscheidung zeigt gleichwohl, dass stets die Prüfung des Einzelfalls für die Statusfrage maßgeblich ist. Unternehmen sollten bei der Vertragsgestaltung und Vertragsdurchführung ihr Augenmerk darauf richten, dass eine echte selbständige Tätigkeit vorliegt. Schon aus diesem Grund ist von der Formulierung allzu ausufernder Verbote anderweitiger Tätigkeiten während der Vertragslaufzeit abzusehen.

Kontakt > mehr