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Voraussetzungen für die Eröffnung des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten bei GmbH-Geschäftsführern

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat mit Beschluss vom 15.05.2024 – 3 Ta 21/24 klargestellt, dass durch eine Abberufung von der Position eines Geschäftsführers das dahinterliegende Vertragsverhältnis nicht automatisch zum Arbeitsverhältnis wird.

Sachverhalt

Der Kläger wurde am 29.10.2018 im Handelsregister als Geschäftsführer eingetragen und mit Wirkung vom 13.11.2023 als Geschäftsführer wieder abbestellt. Mit Schreiben vom 01.12.2023 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis mit dem Kläger fristlos und hilfsweise fristgemäß. 

Vor diesem Hintergrund streiten die Parteien nunmehr um die Rechtswirksamkeit der fristlosen und hilfsweise erklärten fristgemäßen Kündigung des „Geschäftsführeranstellungsvertrages“ (Klageantrag zu Ziff. 1) sowie um Entgeltansprüche für die Zeit von Dezember 2023 bis Februar 2024 (Klageanträge zu den Ziff. 2 bis 4) und um einen Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2023 (Klageantrag zu Ziff. 5).

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für eröffnet erklärt. Die hiergegen von der Beklagten erhobene sofortige Beschwerde vor dem LAG hatte teilweise Erfolg und führte zur Verweisung der Klageanträge zu den Ziff. 2 bis 5 an das Landgericht.

Entscheidungsgründe

Das LAG hat zunächst festgestellt, dass die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte nicht gem. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG ausgeschlossen sei, da der Kläger unstreitig mit Wirkung vom 13.11.2023 als Geschäftsführer – im Handelsregister dokumentiert – abberufen worden sei. Mithin habe bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung einer Organstellung i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht – mehr – vorgelegen.

Ferner sah das LAG nur für den Feststellungsantrag zu Ziff. 1 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 b i. V. m. § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG als eröffnet an. Zwar richte sich auch die Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung eines freien Dienstverhältnisses nach § 626 BGB, so dass der diesbezügliche Teil des Klageantrages zu Ziff. 1 nicht nur dann begründet sein kann, wenn das Rechtsverhältnis ausschließlich als Arbeitsverhältnis einzuordnen sei, jedoch ergebe die gebotene Auslegung des Klageantrages zu Ziff. 1, dass der Kläger in jedem Fall im Ergebnis die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses begehre. Es liege insoweit ein sog. sic-non-Fall vor, bei welchem bereits die Behauptung des Klägers ausreiche, es handele sich bei dem Geschäftsführeranstellungsvertrag um ein Arbeitsverhältnis, um den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu begründen.

Im Hinblick auf die Zahlungsanträge zu den Ziff. 2 bis 5 sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten hingegen nicht eröffnet. Da es sich hierbei um keinen sic-non-Antrag handeln würde, wäre es vielmehr Angelegenheit des Klägers gewesen, die tatsächlichen Umstände, die für den Bestand eines Arbeitsverhältnisses sprechen, darzulegen und zu beweisen. Allein die Abberufung als Geschäftsführer und die damit entfallene Organstellung i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG reiche hierfür nicht aus. Denn der rechtliche Charakter des Anstellungsverhältnisses eines Organvertreters ändere sich nicht allein dadurch, dass er abberufen wird. Das Anstellungsverhältnis werde durch den Abberufungsakt nicht automatisch zum Arbeitsverhältnis und der Organvertreter mithin nicht automatisch zum Arbeitnehmer.

Hinweise für die Praxis

Das BAG eröffnet bei GmbH-Geschäftsführern nur in Ausnahmefällen den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten. Ist dem Geschäftsführer der Rechtsweg nicht bereits nach § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG versperrt, da er mangels Abberufung vom Geschäftsführeramt noch Arbeitgeberfunktionen ausübt, ist im zweiten Schritt zu prüfen, welche Anforderungen an den klägerischen Vortrag zu stellen sind. Hierbei unterscheidet das Bundesarbeitsgericht drei Fallgestaltungen. Bei einem sog. sic-non-Fall reicht allein die bloße Behauptung der klagenden Partei, sie sei Arbeitnehmer, zur Begründung des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten aus, wenn die Klage nur dann begründet sein kann, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist. In den beiden anderen Fallgruppen ist die positive Feststellung des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses notwendige Voraussetzung, um die Rechtswegzuständigkeit zu den Arbeitsgerichten bejahen zu können (BAG, Beschluss vom 21.1.2019 – 9 AZB 23/18).

Zwar ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten im Vergleich zu den Zivilgerichten mit entscheidenden Kostenvorteilen verbunden, jedoch sollte vor Klageerhebung genau geprüft werden, ob der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten überhaupt eröffnet ist, da andernfalls eine Verweisung droht.

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