Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Vergütung von Pausenzeiten bei flexibler Pausengestaltung
Für die Anforderung des § 4 S. 1 ArbZG, wonach die Ruhepausen „im Voraus feststehen“ müssen, genügt es, wenn der Arbeitnehmer jedenfalls zu Beginn der Pause weiß, dass und wie lange er nun Pause hat. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 21.08.2024 (5 AZR 266/23) entschieden.
Sachverhalt
Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, ein langjähriger Mitarbeiter im Produktionsbereich, streitet mit seinem ehemaligen Arbeitgeber über die Vergütung von Pausenzeiten im Zeitraum Juli bis Dezember 2021. Auf das Arbeitsverhältnis fand der gemeinsame Manteltarifvertrag für die Beschäftigten und Auszubildenden der Feinstblechpackungsindustrie (iF GMTV) Anwendung. Im Rahmen einer mit dem Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarung war ein flexibles Pausensystem eingeführt. Es war unter anderem geregelt, dass jedem Mitarbeiter pauschal 7,5 Einbringstunden jährlich gutgeschrieben werden, um die flexible Pausengestaltung beizubehalten. Eine angebrochene Pause solle nur aus dringenden betrieblichen Gründen unterbrochen werden und sodann vom Mitarbeiter fortgesetzt werden können.
Der Kläger hatte seine Pausenzeiten regelmäßig freiwillig in der Kantine verbracht, wo er auf einem Monitor beobachten konnte, ob gegebenenfalls Störungen an der Maschine eintraten, an der er regelmäßig arbeitete.
Der Kläger machte geltend, dass seine Pausenzeiten aufgrund der ständigen Alarmbereitschaft, in der er sich in den Pausenzeiten wegen der digitalen Beobachtungsmöglichkeit befunden hätte, als Arbeitszeit vergütet werden müssten. Er argumentierte, dass dem Erholungseffekt seiner Pause entgegengestanden hätte, jederzeit einen Störfall beobachten zu können und sodann von seinem Vorgesetzten zur Pausenunterbrechung aufgefordert zu werden.
Entscheidungsgründe
Das Bundesarbeitsgericht wies die Revision des Klägers ab und bestätigte die Urteile der Vorinstanzen. Dabei bezog es sich zum einen auf den geltenden Manteltarifvertrag (GMTV): Dieser sieht vor, dass im Dreischichtbetrieb die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause nur dann vergütet wird, wenn dadurch „regelmäßige Arbeitszeit entfällt.“ Da der Kläger im Durchschnitt die tariflich festgelegte wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden erreichte, entfiel keine regelmäßige Arbeitszeit durch die Ruhepausen. Das BAG beurteilte den Wortlaut der Tarifnorm als klar und eindeutig und sah keinen Raum für eine erweiternde Auslegung. Hätten die Tarifparteien eine Art Erschwerniszulage als Vergütung der Ruhepausen auch für den Fall gewollt, in dem keine regelmäßige Arbeitszeit entfällt, hätte das einfach formuliert werden können und insofern im Wortlaut Niederschlag finden müssen.
Auch die gesetzliche Regelung des § 4 ArbZG ist dem BAG nach eingehalten: Danach müssen Ruhepausen „im Voraus feststehen“. Das Gericht stellte klar, dass diese Anforderungen an Ruhepausen gemäß § 4 ArbZG auch dann erfüllt sind, wenn die Pausen flexibel festgelegt werden, vorausgesetzt, die Arbeitnehmer wissen jedenfalls zu Beginn der Pause, wie lange sie zur Verfügung steht und können diese frei gestalten. Eine strikte Festlegung der Pausenzeiten im Voraus sei bei flexiblen betrieblichen Erfordernissen daher nicht notwendig.
Ferner führt auch das Unionsrecht nicht zu einer Vergütungspflicht für die streitigen Pausenzeiten, so das BAG: Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Zeitspanne entweder als Arbeitszeit oder Ruhezeit einzustufen. Da der Kläger keine Tatsachen vorgetragen hat, nach denen ihm Einschränkungen auferlegt wurden, die seine Möglichkeit, die Pausenzeit objektiv frei zu nutzen, erheblich beeinträchtigten, war die Pausenzeit als Ruhezeit zu qualifizieren.
Praxishinweis
Das Urteil des BAG bestätigt, dass Pausen flexibel gestaltet werden dürfen, sofern die Mitarbeiter zu Beginn der Pause über deren Dauer informiert sind und frei über ihre Pausenzeit verfügen können. Verbringen die Arbeitnehmer ihre Pausenzeit freiwillig in der Nähe der Arbeitsstätte und befinden sich dadurch quasi in „Bereitschaft“, begründet das keinen Vergütungsanspruch.
Arbeitgeber sollten daher darauf achten, Pausenregelungen klar und unmissverständlich in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen festzuhalten. Zudem empfiehlt es sich, Mitarbeiter über die Rahmenbedingungen ihrer Pausen zu informieren, um Missverständnissen vorzubeugen und mögliche Ansprüche auf Vergütung von Pausenzeiten zu vermeiden. Eine Überwachung (z. B. durch Monitore für Maschinenstörungen) sollte so gestaltet sein, dass sie die Erholung nicht beeinträchtigt. So kann das Risiko rechtlicher Konflikte minimiert werden.
19. November 2024