
Sozialversicherungspflicht von Dopingkontrolleuren
Doping-Kontrolleure sind weisungsunterworfen und damit abhängig beschäftigt, wenn sie bei ihrer Tätigkeit streng an die Vorgaben von Anti-Doping-Organisationen gebunden sind, auch wenn das Unternehmen, das die Kontrolleure beschäftigt, die Dopingkontrollen lediglich im Auftrag der Anti-Doping-Organisationen durchführt. Die Vorgaben der Anti-Doping-Organisationen schlagen insoweit auf das Verhältnis zwischen den Kontrolleuren und dem Unternehmen durch. Das hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 18.03.2025 – L 13 BA 3631/22) entschieden.
Sachverhalt
Dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Sozialbeiträgen in Höhe von EUR 159.952,53 durch die Beklagte.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das im Auftrag von Anti-Doping-Organisationen, Sportverbänden und Veranstaltern von Sportevents Dopingkontrollen bei Leistungssportlern durchführt. Die Klägerin bereitet die Kontrollen vor, organisiert und koordiniert diese, stellt das Material für die Kontrollen bereit und führt sie durch. Anschließend versendet die Klägerin die Proben in Labore und übergibt die Dokumentation an den jeweiligen Auftraggeber.
Zur Erledigung dieser Aufgaben beschäftigt die Klägerin sowohl fest angestellte Beschäftigte als auch freie Mitarbeiter. Letztere werden aufgrund eines Rahmenvertrags tätig. Der Rahmenvertrag regelt, dass die freien Mitarbeiter nur nach Maßgabe gesondert erteilter Einzelaufträge tätig werden, anderen Beschäftigungen nachgehen dürfen, Aufträge ablehnen dürfen und keinen Anspruch auf die Erteilung von Aufträgen haben. Bei der Durchführung der Aufträge haben die Kontrolleure die Anti-Doping-Bestimmungen des jeweiligen Auftraggebers streng zu beachten und umzusetzen.
Kontrollen wurden mit Pauschalbeträgen vergütet. Urinkontrollen während Wettkämpfen wurden mit einer Tagespauschale in Höhe von EUR 40,00 und Honoraren für jede durchgeführte Kontrolle in Höhe von EUR 10,00 entlohnt. Für eine „Trainingskontrolle Urin“ wurde eine Pauschale von EUR 30,00 gezahlt. Die erfolgreiche Entnahme von Blutproben wurde mit einer Kontrollpauschale in Höhe von EUR 40,00 pro kontrolliertem Sportler vergütet. Bei einem nicht erfolgreichen Kontrollversuch fiel eine Vergütung von EUR 20,00 an. Eine „Trainingskontrolle Kombi“ mit Blut- und Urinkontrolle wurde bei erfolgreicher Kontrolle mit EUR 60,00 vergütet, bei einem erfolglosen Kontrollversuch mit EUR 20,00. Zudem gab es pauschale Zuschläge für Kontrollen im Ausland sowie für Übernachtungen. Die Anfahrt im eigenen Pkw wurde mit EUR 0,25 pro gefahrenem Kilometer vergütet.
Bei einer Betriebsprüfung gelangte die Beklagte zu der Überzeugung, dass die freien Mitarbeiter als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte anzusehen seien. Nach der Würdigung aller Umstände seien sie nach der Annahme eines Auftrags in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und deren Weisungen unterworfen gewesen. Die Klägerin war der Auffassung, dass die Kontrolleure eine selbständige Tätigkeit ausübten, da sie insbesondere ihre Touren außerhalb von Wettkämpfen selbst bestimmen konnten und das wirtschaftliche Risiko einer verringerten Vergütung bei einem erfolglosen Kontrollversuch trugen.
Gegen den Bescheid der Beklagten vom 03.12.2015 über die Nachforderung von Sozialbeiträgen erhob die Klägerin am 14.12.2015 Widerspruch, welcher mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02.03.2018 zurückgewiesen wurde. Das Sozialgericht Stuttgart hob auf die Klage der Klägerin den Bescheid der Beklagten mit Urteil vom 22.11.2022 auf.
Auf die Berufung der Beklagten hob das Landessozialgericht Baden-Württemberg das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart auf und wies die Klage ab.
Entscheidungsgründe
Das Sozialgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben.
Für die Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung vorliege, sei maßgeblich, ob der Mitarbeiter in den Betrieb eingegliedert sei und dem Weisungsrecht der Arbeitgeberin hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit unterliege. Hierfür sei eine Gesamtabwägung durchzuführen, innerhalb derer alle wesentlichen Indizien festzustellen, zu gewichten, in die Gesamtschau einzustellen und widerspruchsfrei gegeneinander abzuwägen seien.
Unter Abwägung aller Indizien gelangte das Landessozialgericht Baden-Württemberg zu dem Ergebnis, dass die Kontrolleure abhängig beschäftigt waren. Abzustellen sei bei der Beurteilung allein auf die Umstände bei der Ausführung der einzelnen Kontrollaufträge.
Zwar sprächen die Rahmenverträge über die freie Mitarbeit für den Willen zur Vereinbarung einer selbständigen Tätigkeit. Der Wille der Parteien sei jedoch nur dann beachtlich, wenn dieser Wille den festgestellten Tatsachen nicht widerspreche, sondern vielmehr durch sie gestützt werde.
Demgegenüber war das Landessozialgericht Baden-Württemberg davon überzeugt, dass die Doping-Kontrolleure Weisungen unterlagen, die der Klägerin zuzurechnen waren. Außerdem seien sie in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen. Zwar habe die Klägerin keine Weisungen in fachlicher und zeitlicher Hinsicht erteilt. Jedoch sei die Arbeit der Doping-Kontrolleure in fachlicher und zeitlicher Hinsicht eng an die Vorgaben der jeweiligen Auftraggeber gebunden gewesen, da diese von der Klägerin zum Bestandteil des durchzuführenden Auftrags gemacht worden seien. Außerdem trat stets die Beklagte als Verantwortliche nach außen gegenüber den Auftraggebern und den Sportlern auf. Die Kontrolleure seien lediglich die Ausführenden gewesen. Insgesamt hätten die Kontrolleure keinen beachtlichen Freiraum gehabt, um die Tätigkeit selbst zu gestalten.
Auch seien die Doping-Kontrolleure kein unternehmerisches Risiko eingegangen. Sie hätten eine Vergütung für jede durchgeführte Kontrolle und unabhängig von der Qualität ihrer Arbeit erhalten. Soweit die Kontrolleure geringe finanzielle Risiken eingegangen seien, hätte diesen eine gewisse Gestaltungsfreiheit gegenüberstehen müssen, um das Risiko zu einem unternehmerischen Risiko zu machen. Dies sei nicht der Fall gewesen. Ohnehin erhielten die Kontrolleure in jedem Fall ein pauschales Honorar. Zudem seien die Doping-Kontrolleure zur persönlichen Erbringung der Leistung verpflichtet gewesen. Das Gesamtbild spräche daher für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.
Hinweis für die Praxis
Das Urteil zeigt deutlich die finanziellen Risiken auf, die mit der Beschäftigung vermeintlich freier Mitarbeiter verbunden sind. Nicht selten werden für scheinbar selbständig Tätige Sozialversicherungsbeiträge durch die Sozialversicherungsträger nachgefordert. Neben dem rückständigen Beitrag sind regelmäßig auch Säumniszuschläge zu bezahlen Um rechtliche und finanzielle Risiken zu vermeiden, sollte daher Rat bei der Gestaltung und Durchführung von Verträgen mit freien Mitarbeitern eingeholt werden. Im Zweifel sollte ein Statusfeststellungsverfahren durchgeführt werden.
29. April 2025