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Rechtmäßige Abmahnung eines Mitglieds der ver.di-Betriebsgruppe

Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 05.12.2024 – 58 Ca 4568/24) bestätigte die Rechtmäßigkeit der Abmahnung eines freigestellten Personalratsmitglieds und Vorstandsmitglieds der ver.di-Betriebsgruppe, die aufgrund eines Aufrufs im Internet erfolgte.

Sachverhalt

Dem Urteil des Arbeitsgerichts Berlin liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung. Der Kläger arbeitet als Betriebshandwerker und Elektriker bei der Beklagten. Er ist Vorstandsmitglied der ver.di-Betriebsgruppe und vollständig freigestelltes Personalratsmitglied. Der Vorstand der Betriebsgruppe veröffentlichte am 30.01.2024 auf der Internetpräsenz der Betriebsgruppe einen Aufruf zu einem Aktionstag „Gegen AfD und die Abschiebe- und Kürzungspolitik der Ampelregierung“. Darin hieß es unter anderem:

„Die Bundesregierung kürzt bei allen Sozialausgaben und in der öffentlichen Daseinsvorsorge, aber hat Milliarden für die Rüstung übrig. Rechtes Gedankengut wächst am besten in einem solchen Klima der Prekarität.

Das gilt auch für unseren Arbeitgeber: Wer wie das FU-Präsidium Tarifverträge nicht einhält, bekämpft aktiv Mitbestimmung und demokratische Prozesse und sorgt so für politischen Verdruss. Im Ergebnis fördert auch die FU damit den Rechtsruck und den Aufstieg der AfD, denen gewerkschaftliche Organisierung ebenfalls ein Dorn im Auge ist. Bis heute sind zudem Beschäftigtengruppen der unteren Lohngruppen und mit hohem Migrant*innenanteil wie z.B. Reinigungskräfte an der FU ausgegliedert und damit von der betrieblichen Gemeinschaft ausgegrenzt und schlechter gestellt.“

Daraufhin mahnte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 04.03.2024 ab. Die Beklagte führte aus, dass der Kläger auf diese Weise seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe. Der Kläger unterliege insbesondere als Beschäftigter des öffentlichen Dienstes einer besonderen Treue- und Loyalitätspflicht gegenüber seinem Arbeitgeber. Aus dieser Folge auch die Verpflichtung, ehrverletzende Kritik am Arbeitgeber zu unterlassen. Der Kläger habe durch sein Verhalten jedoch jegliche sachliche, von der Meinungsfreiheit gedeckte Kritik an seinem Arbeitgeber verlassen.

Der Kläger machte sodann klageweise die Entfernung der ausgesprochenen Abmahnung geltend.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht Berlin hat im Ergebnis zu Lasten des Klägers entschieden und die Klage auf Entfernung der Abmahnung abgewiesen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 04.03.2024 aus seiner Personalakte gem. §§ 242, 1004 BGB. Der Anspruch bestehe nur dann, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht. Nach der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Berlin war der Ausspruch der Abmahnung vom 04.03.2024 in der gewählten Form rechtmäßig. Die Abmahnung sei aus formellen Gründen nicht zu beanstanden. Sie enthalte zudem auch keine unrichtige Tatsachenbehauptung. Die Beklagte habe das Verhalten des Klägers darüber hinaus auch rechtlich zutreffend bewertet. Das Arbeitsgericht Berlin stellte fest, dass vorliegend ein hinreichender Bezug zum Arbeitsverhältnis gegeben sei. Der Kläger habe durch den Aufruf seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis verletzt. Die Äußerungen seien auch nicht von Art. 5 GG gedeckt, da es sich nach Auffassung der Kammer um reine Schmähkritik handelt. Schließlich verfolge die Äußerung einzig den Zweck, die Beklagte verächtlich zu machen. Die Äußerungen in dem Internetaufruf seien nicht auf konkrete Anhaltspunkte in der Realität zurückzuführen. Hinzu komme, dass die Äußerungen entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aufgrund der Koalitionsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 3 GG gerechtfertigt sind. Schließlich gehe es in der Abmahnung einzig und allein um die diffamierenden Äußerungen in Bezug auf die Beklagte. Schmähkritik sei vom Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG nicht erfasst.

Hinweis für die Praxis

Arbeitgeber sollten Schmähkritik ihrer Arbeitnehmer nicht tolerieren. Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin zeigt deutlich, dass solche Äußerungen eine Abmahnung rechtfertigen können. In der Praxis stellt sich jedoch die Frage, ab wann eine Äußerung als Schmähkritik einzustufen ist, die nicht unter den Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG fällt. Bevor arbeitsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden, ist deshalb eine gründliche Prüfung unerlässlich. Insbesondere in Grenzfällen empfiehlt es sich, im Vorfeld externe Beratung zu suchen, um sicherzustellen, dass das geplante Vorgehen Aussicht auf Erfolg hat.

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