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Hinreichende Bestimmtheit eines Vollstreckungstitels bezüglich der Erteilung eines Arbeitszeugnisses

Der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses aus einem gerichtlich festgestellten Vergleich im zu entscheidenden Fall ist hinreichend bestimmt und somit vollstreckbar. Dies hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 24.01.2025 – 5 Ta 1/25) entschieden.

Sachverhalt

Dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren über die Vollstreckung eines Zeugnisanspruchs aus einem gerichtlich festgestellten Vergleich. Die Gläubigerin war seit dem 1. August 2015 in der Zahnarztpraxis des Schuldners laut schriftlichem Arbeitsvertrag als Praxismanagerin beschäftigt. Die Parteien waren zerstrittene Eheleute. Im August 2023 erhob die Gläubigerin vor dem erstinstanzlich zuständigen Arbeitsgericht Klage gegen eine Kündigung des Schuldners. Nach einigem Hin und Her schlossen die Parteien einen Vergleich, dessen Zustandekommen das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 22. November 2023 gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt hat. Der Vergleichstext lautet auszugsweise wie folgt:

„Vergleich

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung gegenstandslos ist und das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei dem Beklagten aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung aus betrieblichen Gründen vom 13.08.2023 mit Ablauf des 31.10.2023 seine Beendigung finden wird.

(…)

2. Der Beklagte stellt der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis aus, mit der Leistungsbewertung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ und der Verhaltensbewertung „stets einwandfrei“, welches mit einer Dankes-, Gruß- und Wunschformel abschließt. Er wird der Klägerin das Zeugnis zusenden. Auf Wunsch erhält die Klägerin ein entsprechendes Zwischenzeugnis.“

Die Vollstreckungsklausel wurde erteilt; der Titel durch den Gerichtsvollzieher zugestellt. Auf Antrag der Gläubigerin hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 18. Oktober 2024 gegen den Schuldner zur Erzwingung der Verpflichtung aus Ziff. 5 des Vergleichs ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt. Dagegen hat der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt. Das erstinstanzlich zuständige Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die sofortige Beschwerde hatte in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass Ziff. 5 des gerichtlich festgestellten Vergleichs der Zwangsvollstreckung zugänglich ist. Dem Vollstreckungstitel mangle es nicht an einer ausreichenden Bestimmtheit und damit einem vollstreckungsfähigen Inhalt.

Die Gläubigerin habe zu Recht einen Antrag gem. § 888 ZPO gestellt. Bei der Nichterteilung des Zeugnisses handle es sich um eine unvertretbare Handlung, zu der der Schuldner, wenn er sie nicht vornimmt, durch Zwangsgeld und Zwangshaft angehalten werden kann (§ 888 ZPO). Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung seien gegeben. Der Schuldner habe sich in Ziff. 5 des gerichtlich festgestellten Vergleichs verpflichtet, der Gläubigerin ein „wohlwollendes“ qualifiziertes Zeugnis, mit der Leistungsbewertung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ und der Verhaltensbewertung „stets einwandfrei“ zu erteilen, das mit einer „Dankes-, Gruß und Wunschformel“ abschließt. Es sei hinreichend klar, welche Leistung vom Schuldner gefordert wird. Bei der Auslegung der Ziff. 5 des gerichtlich festgestellten Vergleichs sei einerseits zu beachten, dass für den Schuldner aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit Zwangsmitteln zu rechnen hat. Andererseits erfordere das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch mit Hilfe der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden können. Ausgehend hiervon enthalte Ziff. 5 des gerichtlich festgestellten Vergleichs einen vollstreckbaren Inhalt. Dies ergebe eine Auslegung des protokollierten Vergleichs nach den vorgenannten Grundsätzen unter Beachtung der gesetzlichen Regelung zum Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses nach § 109 GewO. Für die ausreichende Bestimmtheit genüge es, dass der Schuldner ein „wohlwollendes“ Arbeitszeugnis erteilen soll. Zwar sei die Wendung „wohlwollend“ unbestimmt und deshalb ein Vergleich insoweit nicht vollstreckbar; dies hindere jedoch nicht die Vollstreckbarkeit des titulierten Anspruchs auf ein qualifiziertes Zeugnis an sich, da die Wendung nur deklaratorisch das wiedergebe, was nach allgemeinen Zeugnisgrundsätzen inhaltlich von einem Zeugnis zu fordern ist; sie sei deshalb vollstreckungsrechtlich ohne Bedeutung. Der Arbeitgeber habe ein qualifiziertes Zeugnis gem. § 109 GewO zu erteilen, das nach allgemeinen Grundsätzen auch dem Wohlwollensgebot unterliege. Vorliegend sei keine „Notenstufe“ vereinbart worden, sondern eine Leistungsbewertung mit „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ und eine Führungsbeurteilung mit „stets einwandfrei“. Diese in den Vergleichstext aufgenommen Kernformulierungen genügen den zwangsvollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsforderungen. Die Parteien haben vorliegend klar festgelegt, welche Leistungs- und Führungsbeurteilung das Zeugnis enthalten soll. Es könne in dem Verfahren nach § 888 ZPO durch das für die Festsetzung des Zwangsgelds zuständige Prozessgericht ohne weiteres überprüft werden, ob diese Formulierungen im Zeugnis enthalten sind. Die Bestimmtheit des Vollstreckungstitels scheitere auch nicht daran, dass das Zeugnis mit einer „Dankes-, Gruß- und Wunschformel“ abschließen soll. Es handle sich dabei um einen gängigen Begriff für eine abschließende Formulierung im Zeugnis. Es sei für das Vollstreckungsgericht einfach feststellbar, ob eine solche Dankes- und Wunschformel am Ende des Zeugnisses eingefügt wurde oder nicht. Soweit der verbleibende geringfügige Spielraum des Schuldners bezüglich der Formulierung einen gewissen Prüfungsaufwand des Vollstreckungsgerichts bedingen kann, sei dies unter Berücksichtigung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes hinzunehmen.

Hinweis für die Praxis

Der Beschluss des LAG Rheinland-Pfalz verdeutlicht, dass auch Verpflichtungen aus gerichtlichen Vergleichen zur Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses in der Praxis vollstreckbar sein können. Die Zwangsvollstreckung richtet sich in diesen Fällen grundsätzlich nach § 888 ZPO, das heißt nach den Vorschriften zur Vollstreckung sog. unvertretbarer Handlungen. Arbeitgeber müssen hier mit Zwangsgeldern von bis zu 25.000 Euro rechnen. Mit Blick auf die erforderliche Bestimmtheit sollte stets beachtet werden: Ein Vollstreckungstitel, der den Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, dessen Inhalt nur einer bestimmten Notenstufe entspricht, erfüllt i.d.R. nicht die erforderlichen Bestimmtheitskriterien für die Zwangsvollstreckung (BAG, Beschluss vom 14.02.2017 – 9 AZB 49/16). Im Übrigen gilt, dass wie bei jeder Zwangsvollstreckung zunächst die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, bevor die Zwangsvollstreckung eingeleitet werden kann.

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