
Entgeltabrechnung in Papierform oder als elektronisches Dokument?
Haben Arbeitnehmer Anspruch auf eine Entgeltabrechnung in Papierform, oder reicht die Zurverfügungstellung eines elektronischen Dokuments aus? Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage – anders als die Vorinstanzen – bejaht.
Sachverhalt
Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Januar 2025 (9 AZR 48/24) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin ist im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Für den Konzernverbund, dem die Beklagte angehört, regelt die Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs vom 7. April 2021, dass alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar sind. Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, hat der Arbeitgeber zu ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken. Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte die Beklagte ab März 2022 Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach die Klägerin und verlangte, ihr weiterhin Abrechnungen in Papierform zu übersenden.
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage, mit der die Klägerin die Erteilung der Entgeltabrechnungen begehrt, stattgegeben. Es hat angenommen, die Entgeltabrechnungen seien ihr durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger es – anders als die Klägerin im Streitfall – für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe.
Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
Entscheidungsgründe
Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit grundsätzlich die von § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO vorgeschriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt, dass er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei hat er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen.
Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer ein. Der Senat ist jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen.
Hinweis für die Praxis
Die juristische Literatur hatte bisher überwiegend in Übereinstimmung mit der Entscheidung der Vorinstanz die Erteilung einer Entgeltabrechnung als Verpflichtung des Arbeitgebers angesehen, die nicht durch die bloße Einstellung eines elektronischen Dokuments zum Abruf ordnungsgemäß erfüllt ist. Mitentscheidend dürfte unseres Erachtens in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation gewesen sein, dass den Beschäftigten vorliegend die Möglichkeit eröffnet war, ihre Entgeltabrechnung im Betrieb einzusehen und auszudrucken. Insoweit ist der Sachverhalt gleichartig zu bewerten mit der Zurverfügungstellung einer schriftlichen Entgeltabrechnung (Papierform) zur Entgegennahme im Betrieb.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist angesichts der fortschreitenden Digitalisierung auch im Interesse von Kosteneinsparungsmöglichkeiten zu begrüßen und wird sicherlich auch von kommerziellen Abrechnungsdienstleistern mit Interesse und Zustimmung zur Kenntnis genommen werden.
20. Februar 2025