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Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes bei Annahmeverzug

Von der erforderlichen Kausalität eines böswilligen Unterlassens für einen entgangenen anderweitigen Verdienst kann nur ausgegangen werden, wenn dem Arbeitnehmer die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bekannt war bzw. bekannt gemacht wurde. Das hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) mit Urteil vom 11.09.2024 – 4 Sa 10/24 entschieden.

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. Juni 2021 gekündigt hatte, hatte die daraufhin vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage Erfolg. Die von der Beklagten hiergegen eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen. Die Parteien streiten nunmehr noch über Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum Juli 2021 bis August 2022, in welchem der Kläger Arbeitslosengeld bezogen hatte.

Der Kläger hat von der Agentur für Arbeit während des gesamten Zeitraums seiner Arbeitslosigkeit kein Vermittlungsangebot erhalten. Er hatte jedoch auch von Anfang an gegenüber der Agentur für Arbeit deutlich gemacht, auf den Arbeitsplatz bei der Beklagten zurückkehren zu wollen. Eigenständige Bemühungen zum Erhalt eines anderweitigen Arbeitsplatzes hat der Kläger ebenfalls nicht entfaltet.

Nachdem das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung der begehrten Annahmeverzugsvergütung verurteilt hatte, blieb die Berufung der Beklagten vor dem LAG im Wesentlichen unbegründet.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des LAG habe der Kläger einen Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach §§ 611a Abs. 2, 615 Satz 1 BGB, jedoch müsse er sich gemäß § 11 Nr. 2 KSchG keinen anderweitigen Verdienst wegen böswilligen Unterlassen anrechnen lassen.

Zwar liege ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs vor, da der Kläger weder die Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit genutzt habe noch eigenverantwortlich nach einer Beschäftigung gesucht oder sich eigeninitiativ beworben habe.

Von der erforderlichen Kausalität eines böswilligen Unterlassens für einen entgangenen anderweitigen Verdienst könne jedoch nur ausgegangen werden, wenn dem Arbeitnehmer die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bekannt war bzw. bekannt gemacht wurde. Dies konnte die Beklagte jedoch nicht nachweisen.

Grundsätzlich trage der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer eine zumutbare Tätigkeit gefunden hätte und dass er diese konkrete Tätigkeitsmöglichkeit nicht wahrgenommen hat. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bereits während des Annahmeverzugszeitraums konkrete Stellenangebote unterbreitet, obliege es im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast dem Arbeitnehmer, so konkret wie möglich hierzu vorzutragen.

Eine Darlegungslast des Arbeitnehmers könne aber nicht ausgelöst werden, wenn der Arbeitgeber erst nach dem Ende des Verzugszeitraums ermittelte Stellenangebote vorträgt, die auf dem Internetportal „Jobbörse“ der Agentur für Arbeit gestanden haben sollen und die dem Arbeitnehmer im Verzugszeitraum noch unbekannt waren. Der bloße Hinweis auf einen guten Arbeitsmarkt seien genauso unzureichend wie Ausführungen zur Arbeitslosenstatistik und zum Arbeitsmarktreport.

Hinweise für die Praxis

Nachdem das BAG jüngst mit Urteil vom 07.02.2024 – 5 AZR 177/23 seine bisherige Rechtsprechung zum böswilligen Unterlassen anderweitigen Verdienstes weiter konkretisiert und verschärfte Anforderungen zu Lasten des Arbeitnehmers gestellt hat, hat das LAG Baden-Württemberg die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zugelassen, da es mit seiner Entscheidung vom BAG abweicht. Denn in Fällen, wo ein Arbeitnehmer durch sein Verhalten veranlasst, dass ihm die Agentur für Arbeit tatsächlich keine Vermittlungsvorschläge unterbreitet, sei es nach Ansicht des BAG gerechtfertigt, dass sich der Arbeitgeber die Kenntnisse für einen konkreten Sachvortrag über vorhandene Beschäftigungsmöglichkeiten erst nachträglich durch Auskunft der Agentur für Arbeit verschaffe. Der Arbeitnehmer trage dann unter dem Gesichtspunkt der Bedingungsvereitelung die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Bewerbung erfolglos gewesen wäre. Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob und wie das BAG seine bisherige Rechtsprechung weiter konkretisieren wird, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten.

In der Praxis kann der Arbeitgeber Schwierigkeiten in der Darlegungslast dadurch entgehen, dass er dem Arbeitnehmer entweder eine Prozessbeschäftigung anbietet oder aber den Arbeitnehmer auf ein Stellenangebot hinweist.

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