
Beweispflicht für Whistleblower
Das Landesarbeitsgericht hat ein Urteil zur Probezeitkündigung eines Compliance-Verantwortlichen gefällt. Im Mittelpunkt standen Fragen zur Einhaltung der Kündigungsfrist und mögliche Verstöße gegen das Hinweisgeberschutzgesetz. Welche praktischen Konsequenzen sich daraus ergeben, erfahren Sie in unserem Beitrag.
Sachverhalt
Dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 11.11.2024 (7 SLa 306/24) liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung während der Probezeit. Der Kläger war als Leiter Recht bei der Beklagten beschäftigt und hatte unter anderem die Aufgabe, ein Compliance-Management-System aufzubauen sowie gesellschaftsrechtliche Fragen zu klären. Zudem war er in die Bearbeitung von Compliance-Vorgängen involviert.
Während seiner Tätigkeit wurden ihm Rechtsverstöße bekannt, die er intern an den Geschäftsführer meldete. Unter anderem hatte er Bedenken hinsichtlich einer kartellrechtlichen Klausel in einem Vertrag mit einem österreichischen Kunden. Nach weiteren internen Diskussionen zu diesem Thema entschied sich das Unternehmen, den Kläger noch innerhalb der Probezeit zu kündigen.
Der Kläger führte an, dass die Kündigung eine Repressalie im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes sei, da sie eine Reaktion auf seine internen Meldungen darstelle. Zudem sei die Kündigungsfrist im Schreiben nicht korrekt angegeben gewesen. Die Beklagte hingegen argumentierte, dass der Kläger nicht die Erwartungen erfüllt habe, insbesondere aufgrund seiner Arbeitsweise und seiner mangelnden Pragmatik in der Bearbeitung rechtlicher Fragestellungen.
Entscheidungsgründe
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und bestätigt, dass die Kündigung zum 31. Oktober 2023 wirksam war. Die Kündigung vom 28. September 2023 sei weder nach § 134 BGB iVm. § 36 Abs. 1 HinSchG noch nach § 612a BGB iVm. § 134 BGB nichtig.
Hinsichtlich eines möglichen Verstoßes gegen das Hinweisgeberschutzgesetz stellte das Gericht fest, dass der Kläger nicht hinreichend dargelegt habe, dass seine Meldungen unter den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes fielen. Allein die Behauptung, Verstöße gemeldet zu haben, reichte nicht aus. Mangels Tatsachenvortrag des Klägers seien die Verstöße nach § 2 HinSchG zwar vom Kläger als Rechtsbehauptung in den Raum gestellt, aber nicht schlüssig dargelegt. Es hätte nachgewiesen werden müssen, dass die gemeldeten Sachverhalte tatsächlich unter die in § 2 HinSchG genannten Kategorien fielen, was nicht ausreichend geschehen sei.
Auch ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB konnte das Landesarbeitsgericht nicht feststellen. Der Kläger habe nicht darlegen können, dass seine Hinweise auf kartellrechtliche Verstöße der ausschlaggebende Grund für die Kündigung waren. Die Beklagte habe in ihrer Begründung vielmehr auf strukturelle und pragmatische Defizite in der Arbeitsweise des Klägers verwiesen.
Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß gewesen, da das Unternehmen den Betriebsrat formal korrekt über die geplante Kündigung informiert hatte. Schließlich habe die im Kündigungsschreiben falsch angegebene Kündigungsfrist nach Ansicht des Gerichts nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung geführt, da die Kündigung als solche zum nächstzulässigen Termin umgedeutet werden konnte. Damit war das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2023 wirksam beendet.
Hinweis für die Praxis
Noch gibt es nur wenige Entscheidungen in Zusammenhang mit dem Hinweisgeberschutzgesetz, so dass das Urteil Erkenntnisse für Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Umgang mit dem Hinweisgeberschutzgesetz und Kündigungen bietet, nicht nur in der Probezeit. Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass Kündigungen nicht den Anschein erwecken, dass sie als Repressalie gegen Hinweisgeber ausgesprochen werden. Eine transparente Begründung der Kündigung und eine ordnungsgemäße Dokumentation der Arbeitsleistungen und -defizite sind wichtig, ggfls. auch während der Probezeit. Andererseits müssen Arbeitnehmer, die sich auf den Schutz des Hinweisgeberschutzgesetzes berufen, substantiell darlegen, dass ihre Meldungen die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Bloße Hinweise auf mögliche Verstöße genügen nicht.
4. März 2025