Betriebsratsanhörung bei Wartezeitkündigung
Auch in der gesetzlichen Wartezeit ist der Betriebsrat vor der beabsichtigten Kündigung zu hören. Dies folgt aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 05.11.2024 – 10 Sa 817/23.
Sachverhalt
Dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (LAG) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Wartezeitkündigung. Die Klägerin ist hierbei der Auffassung, dass die Begründung der Kündigung in der Betriebsratsanhörung formelhaft gewesen sei und auch für eine Wartezeitkündigung nicht ausreiche. Die Beklagte hätte erklären müssen, wann und wo und mit welchen Kollegen es zu Streitigkeiten gekommen sei sowie wann welche Gespräche zu dieser Thematik geführt worden seien.
Nachdem das Arbeitsgericht die Klage der Klägerin auf Feststellung der Unwirksamkeit der Wartezeitkündigung abgewiesen hat, blieb auch die Berufung der Klägerin vor dem LAG erfolglos.
Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des LAG sei auch in der gesetzlichen Wartezeit der Betriebsrat vor der beabsichtigten Kündigung zu hören. Jedoch sei bei einer Kündigung in der Wartezeit die Substantiierungspflicht nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet.
Der Betriebsrat sei immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss habe er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen könne.
Da vorliegend der Betriebsrat darüber informiert worden sei, dass die Beklagte mehrere laute Streitereien unter Beteiligung der Klägerin zum Anlass für die Kündigung nehmen wollte, nachdem sie den Eindruck gewonnen hatte, dass hierzu mit ihr geführte Gespräche die Situation nicht verbessert hatten, lag eine ausreichende Tatsachengrundlage für den Betriebsrat vor, um – gegebenenfalls nach Anhörung der Klägerin gemäß § 102 Abs. 2 Satz 4 BetrVG – Stellung zu beziehen, ohne weitere Nachforschungen anstellen zu müssen. An welchen Tagen und mit welchen Kollegen die Klägerin gestritten habe oder wann und mit wem hierzu Gespräche geführt worden seien, sei unerheblich.
Hinweise für die Praxis
Ein Betriebsrat ist auch dann zu einer Kündigung anzuhören, selbst wenn die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht abgelaufen ist und sich der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt noch auf keinen Kündigungsschutz berufen kann. Jedoch hat die Rechtsprechung die Grundsätze für Kündigungen während der Wartezeit wie folgt ausdifferenziert:
Wird die Kündigung auf objektive Tatsachen gestützt, genügt es, wenn dem Betriebsrat die zu Grunde liegenden Tatsachen bzw. Ausgangsgrundlagen mitgeteilt werden. Der Betriebsrat muss hierbei in der Lage sein, ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen.
Daneben lässt die Rechtsprechung bei einer Wartezeitkündigung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung auch die Mitteilung von Werturteilen durch den Arbeitgeber genügen. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall auch nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG sein Werturteil gegenüber dem Betriebsrat zu substanziieren oder zu begründen. Darum genügen nach Auffassung des BAG die Mitteilungen, die Arbeitnehmerin habe sich „während der Probezeit nicht bewährt“ und sei „nicht geeignet, die ihr übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen“ (BAG, Urteil vom 22.04.2010 – 6 AZR 828/08, Rn. 26 f.), „nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung genügt die Arbeitnehmerin unseren Anforderungen nicht“ (BAG, Urteil vom 03.12.1998 – 2 AZR 234/98) oder der Arbeitnehmer habe die „in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt“ (BAG, Urteil vom 18.05.1994 – 2 AZR 920/93) jeweils den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats.
19. Dezember 2024