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Anzeige von Kurzarbeitergeld auf dem Holzweg

Der Arbeitgeber, der Kurzarbeit fristwahrend anzeigen will, kann sich nicht auf ein im entscheidenden Monat aufgegebenes Einwurf-Einschreiben verlassen, wenn die Post die Zustellung erst im darauffolgenden Monat vornimmt. Dies hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschieden (Urteil vom 13.05.2024 – L 20 AL 201/22).

Sachverhalt

Dem Urteil des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, ein Unternehmen mit Sitz in Z., beabsichtigte bei der zuständigen Agentur für Arbeit in Herford im April 2020 einen Arbeitsausfall aufgrund der COVID-19-Pandemie anzuzeigen. Die Kurzarbeit sollte bereits ab dem 1. April gelten. Die Arbeitszeit der betroffenen 41 Mitarbeiter wurde auf null abgesenkt. Die Anzeige hat die Klägerin am 23.04.2020 per Einwurf-Einschreiben verschickt. Die Anzeige wurde jedoch erst am 02.05.2020 bei der Agentur für Arbeit zugestellt. Die Agentur gewährte Kurzarbeitergeld (Kug) ab Mai 2020, lehnte jedoch eine rückwirkende Leistung für April ab, da die Anzeige gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 SGB III erst ab dem Monat des Eingangs bei der Agentur wirksam angezeigt sei. Die Klägerin wandte sich hiergegen im Widerspruchsverfahren und der anschließenden Klage beim Sozialgericht Detmold. Sie führte an, dass die verspätete Zustellung der Post nicht in ihrem Verantwortungsbereich liege und ihr Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren sei. Das Sozialgericht Detmold wies die Klage in der ersten Instanz ab.

Entscheidungsgründe

Auch das LSG NRW entschied gegen die Klägerin. Die Anzeige der Klägerin über den Arbeitsausfall sei zwar am 21.04.2020 aufgegeben worden, jedoch erst am 02.05.2020 bei der Agentur für Arbeit eingegangen. Daher könne ein erheblicher Arbeitsausfall und die betrieblichen Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld (Kug) nach § 99 Abs. 2 Satz 1 SGB III frühestens ab Mai 2020 festgestellt werden. Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sei ausgeschlossen, da es sich bei der Anzeige um eine materielle Anspruchsvoraussetzung und nicht um eine gesetzliche Frist im Sinne des § 27 SGB X handele. Auch die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 99 Abs. 2 Satz 2 SGB III seien nicht erfüllt, da die Klägerin nicht durch ein unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Anzeige gehindert gewesen sei. Der verzögerte Postlauf könne nicht als solches Ereignis angesehen werden.

Eine Nachsichtgewährung gemäß § 242 BGB komme ebenfalls nicht in Betracht, da keine besonderen Gründe vorlägen und die Verantwortung für die fristgerechte Einreichung der Anzeige beim Arbeitgeber liege. Auch alternative Übermittlungswege wie die elektronische Übermittlung seien möglich gewesen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben, da kein Beratungsfehler oder sonstiges rechtswidriges Verhalten der Beklagten erkennbar sei.

Hinweise für die Praxis

Die fristwahrende Zustellung auf dem Postweg birgt immense Risiken. Eine Verlässlichkeit ist in zeitlicher Hinsicht im Zweifel nicht gegeben. Der alte Grundsatz, dass postalische Sendungen spätestens am übernächsten Tag zugestellt werden, gilt nicht mehr. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, ist bei kostenträchtigen Dokumenten gut beraten, die Zustellung selbst zu übernehmen. Im Zweifel sollte erwägt werden, sich über die Nutzung eines professionellen Zustellservices die Sicherheit zu „erkaufen“, dass die relevanten Dokumente auch zugestellt werden. Dies gilt nicht nur hinsichtlich einer zeitlichen Verzögerung wie im vorliegenden Fall. Auch die Zustellung selbst wird bei bloßem Berufen auf ein Einwurf-Einschreiben nicht in allen Gerichtszweigen als beweistragend erachtet. Zwar erbringe ein Einwurf-Einschreiben unter gewissen Voraussetzungen den Beweis des ersten Anscheins (vgl. etwa BGH 27.09.2016 – II ZR 299/15). Allerdings wird hierbei jedoch gefordert, dass mindestens sowohl der Einlieferungsbeleg als auch die Reproduktion des Auslieferungsbelegs der Post vorgelegt werden kann. Der bloße Sendungsstatus wiederum reicht im Zweifel nicht aus, da dieser weder den Namen des Zustellers noch eine Unterschrift enthalte (vgl. etwa LAG BW12.12.2023 – 15 Sa 20/23).

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