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Anrechnung von Zwischenverdienst bei Annahmeverzugslohn

Anderweitiger Verdienst ist auf den Annahmeverzugslohn dann und insoweit anzurechnen, als der anderweitige Verdienst kausal durch das Freiwerden von der bisherigen Arbeitspflicht ermöglicht wurde. Dies hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 21.11.2024 – 5 SLa 99/24 entschieden.

Sachverhalt

Dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (LAG) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin war bei den zwei beklagten Turnvereinen, die eine Handballspielgemeinschaft betreiben, aufgrund eines für die Zeit vom 1. Juli 2021 bis zum 30. Juni 2023 befristeten Arbeitsvertrags als Handballtrainerin angestellt. Hierbei handelte es sich um eine Nebentätigkeit, da die Klägerin noch hauptberuflich in Vollzeit bei der K. in B-Stadt beschäftig ist.

Am 13. Oktober 2022 beendeten die Beklagten die Zusammenarbeit mit der Klägerin mit sofortiger Wirkung. Daraufhin nahm die Klägerin ab November 2022 eine neue geringfügige Beschäftigung als Handballtrainerin bei einem anderen Verein auf.

Nachdem das Arbeitsgericht die Klage der Klägerin auf Annahmeverzugslohn im Wesentlichen abgewiesen hat, blieb die Berufung der Klägerin vor dem LAG erfolglos.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des LAG habe die Klägerin gegen die Beklagten aus § 615 Satz 1, § 611a Abs. 2 iVm. §§ 293 ff. BGB für den noch streitgegenständlichen Zeitraum Januar bis Juni 2023 keinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn.

Anderweitiger Verdienst sei nach § 615 Satz 2 BGB auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs dann und insoweit anzurechnen, als der anderweitige Verdienst kausal durch das Freiwerden von der bisherigen Arbeitspflicht ermöglicht wurde.

Vorliegend sei eine solche erforderliche Kausalität zwischen dem Freiwerden von der bisherigen Arbeitsleistung bei den Beklagten und der Aufnahme der neuen Trainertätigkeit beim neuen Verein gegeben. Denn es sei davon auszugehen, dass die Klägerin keine Tätigkeit als Handballtrainerin für den neuen Verein (bereits ab 1. November 2022) aufgenommen hätte, wenn sie von den beklagten Turnvereinen nicht am 13. Oktober 2022 freigestellt, sondern bis zum 30. Juni 2023 als Trainerin weiterbeschäftigt worden wäre.

Anhaltspunkt dafür sei bereits der Umstand, dass die Klägerin die Trainertätigkeit beim neuen Verein erst aufgenommen habe, nachdem sie am 13. Oktober 2022 von den Beklagten mit sofortiger Wirkung freigestellt worden sei. Sie habe die Trainertätigkeiten für mehrere Handballvereine zu keinem Zeitpunkt parallel ausgeübt.

Bei hypothetischer Betrachtung hätte die Klägerin dies ohne Freistellung auch im streitigen Zeitraum nicht getan, da sie hauptberuflich in Vollzeit bei einer 38-Stundenwoche beschäftigt sei und zeitlich dazu nicht in der Lage gewesen wäre.

Auch wäre eine parallele Ausübung der Tätigkeiten nicht möglich gewesen, da die Klägerin aufgrund der gesetzlichen Arbeitszeitregelungen die werktägliche Arbeitszeit (§ 3 ArbZG), die Ruhezeiten (§ 5 ArbZG) und die Sonntagsruhe (§ 11 ArbZG) nicht hätte einhalten können.

Hinweise für die Praxis

Ein Arbeitnehmer muss sich nicht jeden im Verzugszeitraum anderweit erzielten Verdienst anrechnen lassen, sondern nur einen solchen, der kausal durch das Freiwerden der Arbeitskraft ermöglicht worden ist (BAG, Urteil vom 06.09.1990 – 2 AZR 165/90). Eine Anrechnung kann daher nicht stattfinden, wenn der Arbeitnehmer die Einnahmen auch dann erzielt hätte, wenn der Arbeitgeber nicht im Annahmeverzug gewesen wäre oder der Zwischenverdienst zu Zeiten erzielt wurde, zu denen dem Arbeitgeber keine Arbeitsleistung geschuldet ist. Handelt es sich um eine Nebentätigkeit, die der Arbeitnehmer bereits vor dem Eintritt des Annahmeverzugs ausgeübt hat, muss eine Anrechnung ebenfalls unterbleiben.

Unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles ist daher stets zu prüfen, ob es einen Kausalzusammenhang zwischen der durch den Annahmeverzug ausgelösten Befreiung von der Dienstpflicht und dem Alternativerwerb gibt.

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