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Angemessenheitskontrolle von Kurzarbeitsvereinbarungen

Allgemeine Geschäftsbedingungen zur Einführung von Kurzarbeit haben deren voraussichtliches Enddatum zu benennen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit Urteil vom 04.02.2025 – 10 SLa 470/24 entschieden.

Sachverhalt

Dem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war vom 01.09.2018 bis zum 31.03.2022 bei der Beklagten als Mechatroniker beschäftigt und beendete das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung zum 31.03.2022. Er war seit ca. Mai 2020 durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben und macht geltend, der von ihm nicht genommene Urlaub sei vollständig abzugelten. Die Beklagte wendet ein, dass bei ihr ab 01.03.2020 bis 31.07.2021 sowie vom 01.01.2022 bis zum 31.03.2022 kurzgearbeitet worden sei, so dass der Urlaubsanspruch des Klägers entsprechend zu kürzen sei. In der Kurzarbeitsvereinbarung fehlten jedoch die Angabe der potentiellen Dauer und eine Ankündigungsfrist nach Abbruch und Wiedereinführung der Kurzarbeit.

Nachdem das Arbeitsgericht der Klage auf Abgeltung von Urlaubstagen vollumfänglich stattgegeben hat, blieb die Berufung des Arbeitgebers vor dem LAG ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des LAG Niedersachsen benachteilige die Kurzarbeitsvereinbarung den Kläger unangemessen. Denn diese ermögliche es der Beklagten, die Arbeitszeit „wöchentlich“ anzupassen, ohne dass aus ihre eine Ankündigungsfrist hervorgehe. Auch sollte die Beklagte die Kurzarbeit „sofort“ abbrechen und den Kläger „jederzeit zur Wiederaufnahme der vollen Tätigkeit zurückrufen“ können. Im Hinblick auf die existenzsichernde Funktion des Arbeitsentgeltes gehe diese Regelung daher zu weit, zumal die Einführung von Kurzarbeit unabhängig davon möglich sei, ob dem Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld gezahlt werde oder nicht.

Schließlich liege eine unangemessene Benachteiligung auch darin, dass ein voraussichtliches Enddatum der Kurzarbeit nicht angegeben sei. Es bleibe völlig offen, wann sich die Beklagte für die „Wiederaufnahme des gewohnten Arbeitsablaufes“ entscheiden würde und damit, wie lange der Kläger ohne Entgeltanspruch gegen die Beklagte bleiben würde. Dies wiege umso schwerer, als diese weitreichende Dispositionsbefugnis der Beklagten nicht dadurch abgemildert werde, dass sie an den Bezug von Kurzarbeitergeld gekoppelt wäre.

Hinweise für die Praxis

Formularvertragliche Kurzarbeitsvereinbarungen sind daraufhin zu überprüfen, ob sie einer AGB-Kontrolle standhalten. Eine Unangemessenheit kann insbesondere dann vorliegen, wenn die Vereinbarungen Regelungen über Umfang und Ausmaß der Kurzarbeit, Festlegung des betroffenen Personenkreises, Art und Weise der Einbeziehung des Personenkreises u. Ä. völlig offen lassen (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.10.2010 – 2 Sa 1230/10). Bereits das Fehlen einer Ankündigungsfrist für die Anordnung von Kurzarbeit kann für sich genommen zur Unwirksamkeit der Vereinbarung führen. Denn dadurch wird es dem Arbeitgeber ermöglicht, von einem auf den anderen Tag Kurzarbeit anordnen und damit den dem Arbeitnehmer zu seiner Existenzsicherung dienenden Vergütungsanspruch ganz oder teilweise sofort zu Fall bringen (LAG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). In der Praxis ist Arbeitgebern daher zu empfehlen, die Einführung von Kurzarbeit sorgfältig vorzubereiten, da sie sich ansonsten einem erheblichen finanziellen Risiko aussetzen können.

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